|
im
warmen küstengewässer gleitet der stechrochen mit wellenartigen
bewegungen seiner flügelflossen langsam vorwärts. sein platter
körper schwebt wenige zentimeter über dem hellen sandigen untergrund
auf nahrungssuche. er gleitet über ein krebschen und zermahlt es mit
seinen stumpfen zähnen. das augenpaar auf dem rücken starrt nach
oben ins helle blau, weit oben eine grenze erahnend. seinen peitschenartiger
schwanz, dessen ende mit giftstacheln bewehrt ist, lässt er scheinbar
ziellos hin und herpendeln.
die jupiter-mission
war aus einem militärischen projekt des nordatlantikpaktes heraus
entstanden. nur die besten der härtesten astronauten waren ausgewählt
und in langjährigem training auf die milliardenteure mission vorbereitet
worden. zuerst war alles gut gelaufen. sauberer start von der erde, perfekte
abläufe, wie sie eingeübt worden waren, perfekte technik. doch
dann waren wegen eines computerfehlers vier der sechs astronauten im tiefschlaf
entschlafen. sein mit ihm übriggebliebener kollege war später,
als er für reparaturarbeiten an der ausgefallenen funkantenne in
den weltraum ausgestiegen war, aus unerklärlichen gründen ums
leben gekommen. er selbst, john hatred, hatte es nicht unbeschadet überstanden.
er konnte sich nicht mehr richtig erinnern. er musste am rande des wahnsinnes
gewesen sein. er wusste nur noch, dass es ihm irgendwie gelungen war,
die unkontrollierbar gewordene zentraleinheit des computers auszuschalten
und von einer nebenkonsole aus mit übermenschlicher anstrengung in
ununterbrochener, bis zur totalen erschöpfung reichender arbeit eine
neue steuereinheit zu programmieren. die zeit war wie eine ewigkeit gewesen,
es gab weder stunden noch minuten, weder tag noch nacht. ausser seinem
atem, dem klappern der computertastatur und einem entfernten summen, das
vom bordkraftwerk herrührte, herrschte totale stille. er war vollständig
in einer technoiden umwelt eingekapselt. jede verbindung zur aussenwelt
war gekappt, bis auf ein kleines sternensichtfenster im kontrollraum.
durch dieses sichtfenster hatte er zwischendurch ewigkeiten lang in das
auge des jupiters, dieses gigantischen wirbelsturmes, gestarrt, wie er
sich entsann. die sonne oder die erde hatte er nicht sehen können.
über das ziel der mission war er nie informiert
worden, das wäre sache der drei wissenschafter und der wissenschaftlerin
gewesen. im ausbildungslager hatten ihnen die ausbildner nur immer wieder
so allgemeine floskeln eingepaukt wie: "ihr erforscht den raum jenseits
des jupiters!", "ihr erweitert die grenzen der menschheit",
"ihr seid die neuen pioniere der menschheit", und so weiter.
das konkrete ziel war geheim, aber natürlich gab es im camp zahlreiche
spekulationen: "es geht sicher um den jupitermond ganymed. denk nur
an dessen grosse vorkommen an wasser und eis. ihr sollt die ersten schritte
einleiten, damit er besiedelt werden kann, du wirst sehen" - "und
wieso sollten sie das geheim behalten? nein ich denke eher, sie wollen
abklären, ob die riesigen wasserstoffvorkommen des jupiters angezapft
werden können, das würde bedeuten, unendlich grosse energiereserven
zu erschliessen." - "ich habe allerdings gehört, dass computerauswertungen
der radiosignale aus dem all auf fremde intelligenzen schliessen lassen,
vielleicht sollt ihr jenseits des störenden strahlungsgürtels
der sonnensystems kontakt mit den ausserirdischen aufnehmen, ha ha ha."
zwanzig jahre lang war er von zuhause weg gewesen. erst die zehn jahre
im ausbildungscamp, dann zehn jahre lang die mission selbst. im camp war
jeder kontakt mit der aussenwelt verboten gewesen, nur ganz wenige male
durften sie während der ausbildung in urlaub. einmal waren sie zusammen
in den kaukasus gereist, um sich an den küstennahen berghängen
zu erholen. seine kollegen zog es dann rasch zur schwarzmeerküste
und zum typischen strandleben mit 'rumfaulenzen und der anmache von einheimischen
frauen. ihn zog es mehr in die berge. auf einer seiner ausgedehnten wanderungen
war ihm diese magierin begegnet. sie behauptete, mit den tieren sprechen
zu können und die pflanzen zu verstehen. selbstverständlich
hatte er ihr diesen blödsinn nicht geglaubt. trotzdem hatte sie ihm
gefallen. er konnte auch nicht verleugnen, dass sie gewisse heilkräfte
besass. sie besuchte die dörfer der region und heilte dort die leute
mit den ihr eigenen mitteln. er hatte sie zwei-, dreimal auf solche besuche
begleitet. die wälder dort, die berghänge, die ganze natur hatten
ihn fasziniert. er war dann tatsächlich drei tage zu spät ins
camp zurückgekehrt, was natürlich ein disziplinarverfahren nach
sich zog und beinahe seinen auschluss aus dem projekt bedeutet hätte.
aber das war schon lange her. später, als er alleine im raumschiff
war, hatte er oft von ihr und den wäldern geträumt. er stellte
sich vor, wie er durch die wälder streifen würde, in flüssen
baden und abends mit nachbarn und bekannten schlemmen würde und so
ähnliches.
niemand hatte mehr daran geglaubt, dass er zurückkehren würde.
monatelang war noch vergeblich versucht worden, wieder kontakt zum raumschiff
herzustellen. es misslang. wie durch ein wunder war es ihm gelungen, mittels
seines selbstgebastelten steuerprogrammes um jupiter herum zu kreisen,
das raumschiff unter ausnutzung der fliehkraft aus dem starken gravitationsfeld
des planeten herauszubringen und es schliesslich auf die erde zurückstürzen
zu lassen.
sein sohn hatte ihn gut aufgenommen, obwohl er schon zweiundzwanzig war.
er hatte nie ganz aufgehört zu hoffen, dass sein vater eines tages
noch auftauchen würde. er wollte journalist werden, immer auf der
suche nach nachrichten, die, einmal übermittelt, fern bei anderen
menschen etwas auslösen können. zum spass nannte er sich telemachos,
da er einmal die odyssee gelesen hatte.
seine frau hatte in der zwischenzeit verschiedene freunde und liebesbeziehungen
gehabt, die sie aber offenbar letztlich nicht befriedigt hatten. zuerst
hatte sie ihn lange zeit vermisst, dann aber auch gehasst, obwohl sie
wusste, dass er vom militär in dieses unternehmen gezwungen worden
war. er hatte sich damals sogar überlegt, seine karriere zu beenden,
bei seiner familie zu bleiben und sich dazu von einem psychiater krankschreiben
zu lassen und hatte auch schon zwei-dreimal einen psychiater aufgesucht.
schliesslich hatten sein mannesstolz und die versprechen und überredungskünste
seiner vorgesetzten doch gesiegt und dazu geführt, dass er lange
zeit mit feuer und flamme beim projekt dabei war.
trotzdem lebten sie
jetzt wieder zusammen, auch wenn sie nicht mehr sehr viel gemeinsam hatten.
eine zeit lang wurde er noch vom militär belästigt. die nato
verlangte eine interne untersuchung der angelegenheit, unter ausschluss
der öffentlichkeit. doch das verfahren wurde bald mangels beweisen
eingestellt. beim rücksturz durch die erdatmosfäre war das raumschiff
fast vollständig verglüht, und so war er der einzige zeuge.
jetzt erhielt er vom militär eine grosszügige rente mit der
auflage, nicht mehr über das jupiterprojekt zu sprechen.
|