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er
räkelte sich eine ganze weile lang im bett, döste wieder ein wenig
weiter, drehte sich noch einmal um, schaute zum fenster hinaus: die bäume
hatten bereits einzelne farbige blätter bekommen. er hörte das
nahe bächlein rauschen, die kuhglocken bimmelten friedlich. nur der
junge kater war etwas unruhig geworden, hatte schon einige male am bettende
mit ausgefahrenen krallen nach seinen füssen gehascht und wollte jetzt
unbedingt aus dem zimmer gelassen werden. wohl oder übel musste er
also die bettdecke zurückschlagen und die beine aus dem bett schwingen.
als erstes machte er sich einen kaffee, ging runter die zeitung holen und
las darin herum. die anderen wg-bewohner waren in der schule, arbeiten gegangen
oder irgendwo in den kletterferien.
am frühen nachmittag klingelte der wandapparat: "sind sie herr
ehrismann?" "jaa?" "wieso sind sie nicht eingerückt?
sie haben dienst!" "ich gehe nicht mehr ins militär, ich
verweigere."
nach dem kurzen telefongespräch fühlte er sich eher ein bisschen
besser als vorher, doch sonst hatte sich nichts verändert. er nahm
eine dusche und studierte danach wie üblich die stellenanzeigen. später
setzte er sich hinaus an die sonne und las in der schrift "nationalökonomie
und filosofie, über den zusammenhang der nationalökonomie mit
staat, recht, moral und bürgerlichem leben" von 1844: "alles,
was dir der nationalökonom an leben nimmt und an menschheit, das alles
ersetzt er dir in geld und reichtum und alles das, was du nicht kannst,
das kann dein geld: es kann essen, trinken, auf den ball, ins teater gehen,
es macht sich die kunst, die gelehrsamkeit, die historischen seltenheiten,
die politische macht, es kann reisen, es kann dir das alles aneignen: es
kann das alles kaufen; es ist das wahre vermögen. aber es, was all
dies ist, es mag nichts als sich selbst schaffen, sich selbst kaufen, denn
alles andere ist ja sein knecht, und wenn ich den herrn habe, habe ich den
knecht und brauche ich seinen knecht nicht. alle leidenschaften und alle
tätigkeit muss also untergehen in der habsucht. der arbeiter darf nur
so viel haben, dass er leben will, und darf nur leben wollen, um zu haben."
gut, da ich zur zeit fast kein geld habe, kann ich also all diese dinge
nicht tun. aber die erfahrung zeigt ja, dass ich nur geld haben kann, wenn
ich fast die gesamte lebenszeit auf eine einseitige tätigkeit aufwende,
zum beispiel wenn ich fünf tage in der woche, jahrein jahraus als sachbearbeiter
in einer versicherung arbeite. dann habe ich zwar geld, kann aber all diese
dinge, eben zum beispiel texte schreiben, mich einer wissenschaft widmen,
auch nicht tun, da ich ja jetzt keine zeit dafür habe. um glücklich
zu sein, das heisst meiner natürlichen veranlagung als mensch entsprechend
leben zu können, müsste ich also fast vollständig in dieser
tätigkeit aufgehen und sie als mein hauptinteresse empfinden können,
was offensichtlich unmöglich ist.
(finden sie diese überlegungen überrissen oder gar masslos, dass
er sich überlegt, wie er glücklich leben könnte? vielleicht
finden sie ja schon das wort 'glücklich' übertrieben oder jedenfalls
antiquiert?)
II
einige monate später kam natürlich - das heisst vielmehr, so
wie es kommen musste, wenn dieser apparat einmal arbeitete - ein schreiben
des sektionschefs, noch später die vorladung des untersuchungsrichters,
usw: das verfahren lief. schlussendlich entschied er sich dann doch für
den arbeitsdienst, den er dem gefängnis vorzog. ah halt, zivildienst
hiess es ja jetzt, wo das neue gesetz endlich in kraft getreten war. obwohl,
unter arbeitsdienst konnte er sich mehr vorstellen, was hiess den bloss
noch zivil? bürgerlich, staatlich, das hiess also bürgerlicher
dienst, dienst am bürgertum oder staatlicher dienst, staatsdienst?
ungefähr 99jährige bemühungen von einzelkämpfern,
initiativen und ganzen bewegungen, das militär und mit ihm den krieg
ganz und grundsätzlich abzuschaffen, hatten im endeffekt dazu geführt,
für jene leute, die krieg und organisiertes töten nicht mit
ihrem gewissen vereinbaren konnten, eventuell die möglichkeit zu
schaffen, einen arbeits- oder zivildienst zu leisten. irgendwie fand er
das nicht logisch: dass die herrschenden jene einsperren, die sich ihren
ansprüchen offensichtlich widersetzen, war ja klar. aber wieso hatte
der staat ein interesse daran, ihn stattdessen zur arbeit zu zwingen?
offensichtlich wollten die herrschenden kreise die leute unbedingt im
bereich der produktion oder allenfalls noch reproduktion gehalten wissen,
oder wie in seinem falle auch gegen deren willen in diesen einschleusen.
für die rechten im parlament war es immer noch als strafe gedacht:
arbeitsdienst als strafdienst. für die parlamentslinke, wie sie sich
nannte, war es offenbar eine art abgeschwächte form von militärdienst:
das unterwerfende, staatsdienende und disziplinierende moment des militärs
sollte erhalten bleiben, nur der destruktive faktor des tötens und
mordens sollte durch den konstruktiven, sinnvollen der produktion ersetzt
werden. wieso die linke den staatlichen dienst gerade hier weitererhalten
wollte, war ihm ein rätsel: wo sie doch sonst für die sogenannte
befreiung der staatlichen einrichtungen, institutionen und betriebe ritterhaft
ihren mann oder ihre frau stellte, die mit hehrem säbelschwingen
die köpfe rollen liessen und noch vor den rechtsliberalen befreiern
voranritten im kampf für die rationalisierung und reprivatisierung.
III
ende der 90iger jahre, kam er eines abends nach hause. er arbeitete in
einer internationalen handelsorganisation, die in die krise geraten war.
früher einmal war sie als genossenschaft gegründet worden und
sollte dann zur aktiengesellschaft hochrationalisiert werden, was allerdings
misslang. heute wechselten die chefsanierer und mitarbeiterinnen im eilzugstempo.
selbstverständlich, dass auch topeinsatz nicht genügte, da zuviele
mitarbeiterinnen wegrationaliert worden waren oder von selbst das feld
geräumt hatten. er duschte, ass etwas und verfiel in seine allabendliche
letargie und müdigkeit. im traum quälte er sich durch die menschenmenge
im hauptbahnhof wie jeden abend. an diesem abend gelang es ihm nicht,
zum richtigen ausgang aus dieser unterwelt zu gelangen. die menschenmasse
riss ihn mit sich fort und spülte ihn in eine riesige fabrikhalle.
von einem überdimensionierten bildschirm herab sprach der chefmanager
der uec (united european corporation), die sich zum grössten unternehmen
der schweiz und ganz europas zusammenfusioniert hatte. für die strategen
dieses konzerns war die region schweiz natürlich nur ein kleiner
unbedeutender teilabsatzmarkt. die digitalisierte stimme hallte metallisch
über die erregte masse hinweg: "unsere produktionseinheit schweiz
hat sich gut gehalten. der umsatz konnte um 7 prozent, ich wiederhole,
sieben prozent gesteigert werden. dieses ergebnis konnten wir nur dank
ihrem hervorragenden einsatz erzielen. ihnen allen gilt meine vollste
anerkennung! allerdings benötigen wir eine stark verbesserte rentabilität,
um im globalen überlebenskampf bestehen zu können. dies verlangt
von uns allen, von ihnen und von mir, eine grosse opferbereitschaft. erst
wenn unsere produkte die welt erobert haben, erst wenn dank der hervorragenden
qualität unserer erzeugnisse diese von uns geplanten und hergestellten
produkte die mangelhaften natürlichen hervorbringungen, ihre fehlerhaften
naturanlagen vollständig beseitigt und ersetzt haben, wird unser
unternehmen den sieg davontragen. frage an sie, unsere belegschaft: wollt
ihr die vollständige artifizierung der welt! wollt ihr die totale
produktion!" die hysterie der masse hatte sich während diesen
sätzen sprunghaft gesteigert und entlud sich in einem gigantischen,
ohrenbetäubenden, archaischen aufschrei. schweissgebadet schreckte
er auf.
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