schandfleck.ch_archiv/1999/nr.3 |
joachim
ehrismann
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rekruten und erwerbslose in fremden diensten teil 4: im widerstand gegen die sinvolle schweiz | ||||
"jaja,
ich weiss, mame, 'aus nichts kommt nichts, man muss etwas sinnvolles tun,
wenn man es zu etwas bringen will', du hast es schon hundertmal gesagt.
und wenn ich jetzt einfach mal keine lust habe zu irgendetwas, einfach keine
lust, hä? ausserdem habe ich ja lust: herumzuhängen und in die
wolken zu starren. ist das etwa nichts? sowieso kommt aus dem nichts sehr
wohl etwas. zum beispiel meine genialsten ideen - wie aus dem nichts kommen
die. und was ist mit dem universum und dem ganzen rest, das muss ja zwangsläufig
aus dem nichts kommen, woher soll es denn sonst sein!" "hör
mal, du rotzbengel, jetzt ist aber schluss! was meinst du, woher du wohl
kommst, he? - meinst du, ich sei einfach hingesessen und hätte gedacht,
ach ja, so ein braves jüngelchen wäre ja schon schön - und
zack, seist du sogleich durch den kamin gefallen oder was? harte arbeit
war das! zuerst deinen papa bearbeiten, der nach der arbeit und allen überstunden
immer fix fertig war, trotzdem gedacht hat, er müsse im bett auch noch
den potenzsuperman spielen: gar nichts lief da. er hätte eben auch
nicht militärinstruktor werden sollen, der blödmann." "oh
mein gott, und wo bleibt denn da die romantik? es soll nichts schöneres
geben, als miteinander zu schlafen, das sagst du doch immer. wahrscheinlich
hättet ihr euch einfach besser entspannen müssen, relax, ein paar
tage herumhängen, so wie ich, nichts tun, und dann wäre das wie
von allein gegangen! aber dafür habt ihr ja keine zeit. nein: arbeiten
hier, arbeiten da, alles muss seine ordnung haben, zusätzlich noch
deine gratisarbeit im dritte-welt-laden, abends dann die parteisitzungen,
äs pe, oder wie war das? ts ts." "siehst du, dein herumlümmeln
tut dir gar nicht gut. das ist ungesund. du wirst frech, ungezogen, kommst
auf dumme gedanken. wieso gehst du nicht zur gewerkschaftsjugend, wie pesche
und die anderen? die machen doch immer so tolle aktionen. oder in den handballclub,
dann wärst du jetzt in einem schönen trainingslager in südfrankreich.
oder wenigstens zu den pfadfindern!" "gähn, gähn. jetzt
sag bloss noch, onanieren ist ungesund, dann sind wir endgültig im
letzten jahrhundert gelandet. und für die militärische früherziehung
eigne ich mich nun mal nicht. du weisst ja: ich bin keine leistungsmaschine.
mir steht der sinn eher nach besinnlichen filosofischen fragen, etik, wie
sollen wir leben, was ist gut und was böse und so weiter." "seufz,
womit habe ich das bloss verdient? dann beweise wenigstens deine hochwohlgeboren
edle gesinnung und fege endlich einmal den vorplatz, ausserdem solltest
du doch noch papas dienstwagen waschen." "he, he, stop. erstens
bin ich kein haushaltsklave, auch hausangestellte haben ihre rechte! wenn
fegen, dann nur für zwanzig franken in der stunde, inklusive sozialversicherungen.
oder soll ich an die presse: 'sp-politikerin, die frau des bekannten militärinstruktors,
hält das eigene kind als haushaltsklaven?' zweitens: wieso soll ich
meine friedliebenden ansichten durch spezielle zusatzarbeiten zusätzlich
zu meinem überaus friedfertigen lebensstil beweisen, und unser edelhochwohlgeborener
militärinstruktor fuchtelt mit kanonen und sturmgewehren nur so um
sich, und das tagtäglich, ohne sich ein einziges mal zu rechtfertigen,
hä? und drittens- wenn du so blöd bist und neben der gratishaus-
und erziehungsarbeit auch noch ohne zu murren unbezahlte gemeinnützige
freiwilligenarbeit leistest, nur zu, mit mir - flatsch - autsch!! spinnst
du?" "so! walter hat eben doch recht. wir waren mit deiner erziehung
viel zu lasch. und die lehrer sind auch viel zu nachsichtig, manchmal braucht
es eben doch eine strenge erzieherische hand, wenn die leute uneinsichtig
sind." "autsch ..., mit mir so nicht, wollte ich sagen. wenn schon
müssten alle gratis arbeiten, oder alle sollen für alle arbeit
und jede handreichung bezahlt werden. wenn ich jetzt übrigens zurückgeschlagen
hätte, würde das meinen ansichten keinesfalls widersprechen, falls
du das erreichen wolltest, pazifist war ich noch nie. ich bin anarchist.
aber du, du warst doch immer gegen gewalt und für friedliche, konstruktive
konfliktlösungen. es liegen ja jetzt noch diese faltblättchen
herum von den friedensinitiativen oder wie die heissen. aber selbst deine
ursula, eure parteichefin, war ja für hartes militärisches durchgreifen
in kosovo und serbien. wo bleiben da friedenspolitik und antimilitarismus?" "manchmal kommt man eben mit deinem idealismus und schwärmerischem utopismus nicht weiter, dann heisst es auf dem boden der tatsachen bleiben und realistisch-pragmatisch weiter vorgehen." "aha. könnte auch pa gesagt haben. dabei bist du bei mir an der völlig falschen adresse. aber du und deine sp, habt ihr nicht vielleicht was vergessen, von wegen marx zum beispiel? wie ging das noch: hegel vom kopf auf die füsse stellen? das weiss ich von meiner filosofielehrerin." "phu, jetzt hör doch endlich mit diesem geschwätz auf und mach dich wenigstens einmal nützlich. habt ihr denn nicht ein quentchen ökonomie in der schule? ja, das sind eben diese staatsangestellten, keine sorgen, gesicherte posten. die haben ja keine ahnung vom täglichen überlebenskampf der leute." "hast du noch eine ahnung. der beamtenstatus ist doch längst abgeschafft. die meisten lehrer und lehrerinnen haben nur noch befristete teilzeitarbeitsverträge. unsere schule bereitet sich abgesehen davon schon auf das going public vor: schulgebühren werden eingeführt, löhne und ausgaben abgesägt, eine eigene rechnung geführt, der schulverwaltungsrat kümmert sich um die strategische und operative leitung. natürlich braucht die schule auch ihr eigenes logo und ein modernes, fortschrittliches image. new public management nennt man das. du liest wohl nie zeitung?" "tsss, was soll ich überhaupt noch mit dir diskutieren, habe ich das denn nötig? du bist ganz einfach in der pubertät, da ist es normal, dass du dich in dieser lebensfase gegen alles und jeden auflehnst. ausserdem muss ich jetzt sowieso bald gehen, ich muss noch meine unterlagen bereitmachen für meine sitzung. während du nämlich hier nur herumschwatzt und sinnlos rebellierst, versuchen wir die gesellschaft zu modernisieren und den anschluss an die eu und die neusten entwicklungen nicht zu verpassen. aber du bist noch so jung und schon so hintlerwäldlerisch, noch schlimmer als dein vater, der ist wenigstens für den nato-beitritt." "ah so geht das. wenn es kritisch wird, den gegner diffamieren und das gespräch verweigern. und dann noch ein bisschen von fortschritt, vorwärts 'und wir sind die guten' geplaudert. dabei geht es knallhart darum: wer verdient wo seine scherfchen und wieviel? deshalb hast du ja auch pa geheiratet, oder nicht?" "und wovon willst du dich einmal ernähren, wenn ich dir einmal nicht mehr die brötchen schmier, du dreimal superklug?" "ja, stimmt, als mann eine frau zu finden, die gut verdient, ist eben nicht so einfach. da muss ich schon selber schauen. und was, wenn ich zufällig nicht in einer kaserne, egal ob vom militär, von der chemie- oder maschinenindustrie, mein geld verdienen möchte? bleibt fast nur noch der staat - und dort wird gespart, und stellen werden immer rarer. oder vielleicht noch handwerk oder kleingewerbe, doch die sind am aussterben. es ist tatsächlich nicht einfach heutzutage. man müsste eigentlich schon alles ändern und was ganz anderes machen." "und was meinst du mit was ganz anderes machen?" "jedenfalls nichts, wo einer allein ein vermögen von neunzig milliarden dollar anhäufen kann und die überwiegende mehrheit zusehen kann, wo sie bleibt. und sicher nichts, wo die ganze schöne, grosse absahnerei einiger tausend oder zehntausend mit militär- und polizeigewalt abgesichert werden muss und im besten fall noch ein paar leute sagen, dass man zwar eigentlich alles ein bisschen gerechter ordnen müsste, aber es eben doch so ist - ein einziger riesiger beschiss." "also ich muss jetzt weg, du weisst ja, was du zu tun hast." "ja, zum glück sagt ihr mir ja, was sinnvoll ist. alles, was in euren augen nicht sinnvoll ist, ist eben egoistisch, utopisch, unvernünftig. vor allem soll ich nie wirklich etwas anderes wollen." |
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