schandfleck.ch_textkritik/2009/juli | daniel
costantino |
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zu david kerns "tod der kunst |
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Froh- und trüber Zeit Wandle zwischen Freud und Schmerz In der Einsamkeit.) es kann durchaus ein gefühl des (erlebnis)mangels sein, welches einen jungen menschen an den schreibtisch zwingt. ein gefühls- oder gedankenüberschuss, den er mit niemandem teilen will oder kann. eine mangelhafte sprache aber ruft dem publikum bloss jene gedanken und gefühle in erinnerung, die es ohnedies hat (kraus). nicht die unvertrautheit mit dem leben bildet die grundlage der kunst, im gegenteil. die unvertrautheit mit der deutschen sprache ergibt einen schriftsteller wie thomas mann. seine sehnsucht wirkt reichlich luxuriös und klischiert, sofern sie überhaupt wirkung verbreitet. es kann niemals genügen, zu beschreiben. ein dichter muss sprachlich gestalten und verlebendigen können, den überschuss an empfinden, sei es am prallen leben, sei es am leiden, dass ein pralles leben nicht stattfinde (nizon), seine seele also in den text bringen. überaus gespannte nerven muss er nicht nur haben, sondern auch in den text legen können. thomas mann, das beweist mir eben seine sprache, vermag dies nicht. ich habe es dargelegt. und darum bedeutet mir seine novelle nichts (mehr). ich spreche ihm gerade die künstlerschaft, welche allein ' die existenz rechtfertigt (kern), ab. es ist alles mitteilungsdrang, aufzählung, behauptung, ein einziges referieren, renommieren, rekapitulieren. einschläfernde wirkung infolge auf mich als leser, zuweilen gestört vom ärger, dass da einer sich anheischig macht, über grosse temen zu reflektieren und doch nur abspeisung liefert, angelesenes und erkaltetes wissen. ob denn die einsamkeit im naturgemässen die gefährtin des künstlers sei, kann im falle thomas mann ruhig dahingestellt bleiben. wer wäre nicht ein einsamer mensch? thomas mann kompensiert etwas anderes als die einsamkeit. das wahre (er)leben ist nicht der feind der kunst, sondern ihre bedingung. er meistert die sprache nicht, sondern scheitert geradezu an ihr. auch seine ironie kann sich mir als qualität nicht erschliessen. die ironie eines sprachstümpers wirkt entblössend auf ihn selbst zurück. wer hat erfunden, von seiner ironie zu reden? ironie setzt nun tatsächlich eine meisterschaft voraus. und sonst ist sie wohlfeiles geschwätz. es kühlt sich da einer am eigenen unvermögen sein mütchen.
'der tod ist allgegenwärtig. er widerfährt dem leser bereits im ersten satz'. da hat der kritiker kern den ultimativen kriminalroman entdeckt. der leser wird schon im ersten satz ermordet. welch ein paukenschlag!
'in tadzio und seiner rolle der passivität wird (einerseits) all jene sehnsucht projiziert, die sich der schriftsteller zeitlebens versagte'. nein, das glaube
ich nicht. eine solche ausgereifte und hochstilisierte sehnsucht wäre
plötzlich, im alter, einfach da? ich halte dafür, dass sie
über jahrzehnte in dem manne unterhalten und grossgezüchtet.
die erwähnung seiner biografie in deinem essay sagt es ja eigentlich
auch. die sehnsucht hat er sich nicht versagt, jedoch möglicherweise
die tat, nach der ihn verlangte. die erfüllung hätte die sehnsucht
transformiert, die nun keine mehr gewesen wäre. (die höchste
sehnsucht aber kann nicht erfüllt werden). 'das wort kann die sfäre
der sinnlichkeit nicht erfassen'. doch, kann. manns wort allerdings
kann es nicht. (daneben gäbe es noch, und vorallem, die komposition
der worte, wie sie zusammenstehn und einander reflektieren und was zwischen
den zeilen so zum leben erwacht.) ebensowenig kann ich deinen ausführungen
zur homosexualität folgen. ich denke, mann verrät 'seine homosexualität'.
ein aussenstehender kann nicht auf diese weise darüber schreiben,
die kunstfigur aschenbach hin oder her. mann weiss und kennt zuviel
und zu genaues. dass er aber überdies ekel empfinde und die geschlechtlichkeit
hasse, leuchtet mir noch einmal nicht ein. es muss ja schon ein knabe
sein, nicht wahr, anders gings nicht. er müsste sich konsequenterweise
vor ihm ekeln. mir ist schon klar, dass die erotik den grösseren
und weiteren begriff abgibt als der sex, den man sich ohne sie vorstellen
kann und der wohl auch am häufigsten so praktiziert wird auf der
welt. sex und geschlechtlichkeit als das ursprüngliche, angeborene,
primitive, erotik als kultur (auch durch verbote inspiriert, als deren
überwindung in der extase). manns erotische vorstellungen also
ans jugendliche geschlecht gebunden, aber es kommt noch ein quantum
hochmut zur verklärung dazu, mit dem er sich (und viele andere
tuns ihm gleich) aus der gesellschaftlichen ächtung rettet und
vielleicht aus der verachtung seiner selbst ob seiner kuscherei. kein
verdacht ist hinfällig, mit deinen worten zu reden. hege ihn nur.
ich aber kann gerade an diesem verdachte nichts erkennen, was nun mir
suspekt wäre. |
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