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schandfleck.ch_textkritik/2006/februar
daniel costantino
 

martin walser: tod eines kritikers

glücklicherweise erscheint diese rezension in der rubrik textkritik. unter dem namen literaturkritik wäre sie fehl am platze, weil es eine minimalforderung gibt, die ich an literatur stelle. soll alles literatur sein, was ein schriftsteller produziert, so kann man bald jeden schüleraufsatz und jeden einkaufszettel dazuzählen.
walser schreibt miserabel. er hat nicht das geringste stilgefühl, keinen sinn dafür, was sprache vermag. der roman ist ein versuch zu blenden, aber der scheitert am unzulänglichen wortschatz. nicht die geringste anstrengung, klar zu denken. kein ansatz, eine sache einigermassen anschaulich und präzise zu beschreiben. ein einziger bluff das buch, gespreizt, anzüglich, peinlich. keine figur, und deren kommen viele vor, sprengt den rahmen des klischees, eine uninteressanter als die andere. spiessig, billig, lächerlich. alles attitüde, irgendwiegeflunker, krautundrübenprosa. unsäglich langweilig und verlogen. eine schlüpfrige stilblütensammlung.
ein wurmmittel. ein instantbeutel. ein büchsenfutter.
wie der fabrikant irgendeines gebräus, einer frigiden brause, eines wie waschmittel schäumenden gesöffs seinem produkt erst die biologischen aromen und natürlichen nährstoffe entzieht und durch chemische konzentrate, künstliche ingredienzen ersetzt, so verfährt walser mit der deutschen sprache. er hat alles organische ausgerottet, nichts keimt, nichts wächst, nichts mundet. er schlägt die sprache tot.
und er beweist fortdauernd schlechten geschmack. die ganze geschichte hindurch ödet seine spiessigkeit an und ärgert eines: man fühlt sich als leser betrogen. da ist ein falschmünzer am werk, den nichts, garnichts als literaten ausweist. er hat den beruf verfehlt und wäre besser was anderes geworden. sein erfolg liegt an anderen als qualitativen kriterien.
er habe ein 'vielfarbiges beziehungsbild' gemalt, sagt er. er hat eine schwarzweissklamotte billigster art geschrieben. sein roman, sagt er, handle davon, wie im literaturbetrieb macht ausgeübt werde. ich aber glaube dieser schmierenkomödie kein wort. ich glaube an keine figur, keinen dialog, an keine schilderung und nichts. alles ist hingeplappert, aufgezählt, kraftlos deklamiert. aber nichts erfährt lebendigkeit, erotik, brisanz. es entsteht weder stimmung noch spannung, obwohl er gewaltig mit den worten protzt. sein unvermögen erstickt jedes ästetische vergnügen im keime.
es finden sich wahrlich auf jeder seite belege für meine behauptungen, platitüden, peinlichkeiten, kitsch und angeberei. auf seite 20 steht:

>Am meisten ist Gern noch das, was es einmal gewesen sein muss, wenn der Schnee alles zudeckt, alles neuerdings Dazugebaute. Und das gelingt dem Schnee fast jeden Winter ein-, zweimal. Wenn dann die Strassen nicht geräumt werden, die schwarzen Menschen, Gleichgewicht suchend, durch die Luft rudern, dann kann ich arbeiten. Hätte ich arbeiten können, wenn ich nicht in dieses Geschehen hineingeraten wäre.
Ich kam heim und merkte, dass ich immer noch nicht wusste, wie es Hans Lach ging. Dieses Schweigen. Ach was, Schweigen. Da lernt man Wörter kennen! Wenn sie nicht taugen! Dieses Voreinandersitzen und Nichtssagen. Das kann man doch nicht Schweigen nennen. Er tat mir leid. Das war es. Jetzt erst gestand ich es mir ein: er tat mir leid, weil ich glaubte, dass er es getan haben könnte. Für mich war es immer die fürchterlichste Vorstellung überhaupt: jemanden umgebracht zu haben. Manchmal - sehr selten zum Glück - träume ich das: du hast jemanden umgebracht, man ist schon auf deiner Spur, du siehst deiner Überführung entgegen, du musst, um das zu verhindern, noch jemanden umbringen. Die Tage nach solchen Träumen sind immer die glücklichsten Tage überhaupt. Den ganzen Tag könnte ich summen vor Glück: du hast keinen umgebracht, Halleluja.<

das 'neuerdings dazugebaute', welch hilflose formulierung, wäre nur vom schnee bedeckt? konservativer schnee? ist nun alles oder, ergänzend, auch noch das neuderdings dazugebaute verdeckt? und was dem schnee doch nicht alles gelingt, das logisch unmöglichste! jedenfalls so ein-, zweimal, fast jeden winter wenigstens. und die 'schwarzen menschen' - ob sie nicht besser durch den schnee 'ruderten', da er ja nicht geräumt ist? oder müssten die strassen von ihnen...doch wohl nicht. ein bisschen stimmts ja schon, schwarze mäntel halt meistens, im winter, die 'gleichgewicht suchend' durch die luft rudern. walser ist hal ein poet, was will man! das ist nur seine blumige sprache, die kann man lesen. hätte man lesen können, wäre man da nicht in etwas schiefes hineingeraten. gar nicht so einfach, das zu imitieren. und dann das schweigen: ja, das schweigen. da lernt man wörter kennen! ist ja logisch. nur bei walser lernt man leider keine wörter kennen. da lernt man umständliches, unzureichendes, überflüssiges und peinliches kennen. das kann man doch nicht wörter nennen. und sätze schon garnicht. noch die 'fürchterlichste vorstellung überhaupt' wirkt ausgetrocknet, bloss demonstriert, aber nicht dargestellt und nicht erlebt, keinesfalls. vielleicht ists ja eben doch nur höchstens die zweitfürchterlichste. aber wer keines echten ausdrucks fähig ist, nimmt eben gern den superlativ, das wirkt immer. halleluja! und es geht gleich so weiter im text, es geht immer so weiter, das ganze buch hindurch. ich füge nahtlos an:

>Ich war von Amsterdam so jäh weggefahren, ich musste sofort hinaus nach Stadelheim, weil ich glaubte, er könne es doch getan haben. Und fürchterlicher konnte nichts sein. Also hin zu ihm. Dann sitzen und nichts sagen. Einfach weil man, wenn jemand jemanden umgebracht hat, nichts mehr sagen kann. Jetzt merkte ich, dass mir der Tote kein bisschen leid tat, nur der Täter. Der Tote leidet doch nicht mehr. Aber der Täter...der kann keine Sekunde lang an etwas anderes denken als an die Sekunde der Tat. Ich müsste mich, wenn mir das passierte, sofort selber umbringen. Nicht, um mich zu strafen, nicht, um zu sühnen. Nur weil es nicht auszuhalten wäre, dieses ewige, unablässige Drandenkenmüssen. Und der sass mir gegenüber, sah mich an, ruhig. Das habe ich mir eingeredet. Ruhig. Er war erledigt, zerquetscht, er hatte sicher immer noch keinen ruhigen Schlaf gefunden. Die Augen. Jetzt erst verstand ich diesen Blick. Dieses vollkommen Tendenzlose. Keine Gesellschaft, bitte. Keine Teilnahme. Achten Sie, bitte, mein Nichtinfragekommen für alles. Ich komme in Frage nur noch für nichts. Und diesen Ausdruck hatte ich für ruhig gehalten. Halten wollen. Etwas Unwiderrufliches getan haben. <

das ist doch alles unreifes zeugs. hier wie andernorts, überall. noch fürchterlicher kann nichts sein. soll ichs beim zweiten mal glauben? als wenn jemand jemanden umgebracht hat. gutes deutsch, nicht wahr? einfach weil man, wenn jemand jemandem so was schreibt, nur lachen kann. der leser leidet doch nicht. nur der schreiber. er tut mir aber kein bisschen leid. ich müsste mich, wenn mir sowas passierte, sofort umbringen. ehrenwort. nur weil es nicht auszumalen wäre, dieses ewige, unablässige drandenkenmüssen. ich wär zerquetscht. erledigt, genau. ich möchte mein nichtinfragekommen nicht mehr erleben müssen. so wär das, schriebe ich wie walser. dieses vollkommen tendenzlose. schreiben geht doch so viel einfacher als denken. ich kann keine sekunde lang an etwas anderes denken als an die sekunde des schreibens. ich komme in frage nur noch für das schreiben, hiesse ich walser. und mein ausdrucksvermögen hielte ich auch noch für vielfarbig. unwiderruflich.
ich habe zu anfang über das wort literatur reflektiert, um zu zeigen, dass mich bei der beurteilung eines schriftstellers in erster linie die sprache interessiert. scheitert einer an diesem kriterium, der hauptsache, dem material, womit er arbeitet, ist mir eigentlich egal, worüber er schreibt. er kann mir nichts erzählen. es geht in walsers roman um die ermordung eines starkritikers, und es hat sich nach der publikation eine debatte entzündet. die scheinbar ermordete person ist marcel reich-ranicki nachgebildet, und es war und ist von antijüdischen klischees und noch schlimmerem die rede. ich halte diese vorwürfe für überrissen, gestehe aber zu, dass man ein gewisses kokettieren walsers mit dem verfänglichen tema herauslesen kann. nur: der ganze roman kokettiert, ist klischee, ist schriftstellerisches dergleichentun. es hätten die frauen und die polizeibeamten und der ganze literaturbetrieb hinreichend grund, sich beleidigt zu fühlen. erst recht der leser. der roman ist nicht antijüdisch, nicht antifraulich und nicht anti-irgendwas. er ist bloss spiessig, peinlich und überflüssig.

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