schandfleck.ch_textkritik/2006/februar |
daniel
costantino
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martin walser: tod eines kritikers |
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glücklicherweise
erscheint diese rezension in der rubrik textkritik. unter dem namen
literaturkritik wäre sie fehl am platze, weil es eine minimalforderung
gibt, die ich an literatur stelle. soll alles literatur sein, was ein
schriftsteller produziert, so kann man bald jeden schüleraufsatz
und jeden einkaufszettel dazuzählen. >Am
meisten ist Gern noch das, was es einmal gewesen sein muss, wenn der
Schnee alles zudeckt, alles neuerdings Dazugebaute. Und das gelingt
dem Schnee fast jeden Winter ein-, zweimal. Wenn dann die Strassen nicht
geräumt werden, die schwarzen Menschen, Gleichgewicht suchend,
durch die Luft rudern, dann kann ich arbeiten. Hätte ich arbeiten
können, wenn ich nicht in dieses Geschehen hineingeraten wäre.
das 'neuerdings dazugebaute', welch hilflose formulierung, wäre nur vom schnee bedeckt? konservativer schnee? ist nun alles oder, ergänzend, auch noch das neuderdings dazugebaute verdeckt? und was dem schnee doch nicht alles gelingt, das logisch unmöglichste! jedenfalls so ein-, zweimal, fast jeden winter wenigstens. und die 'schwarzen menschen' - ob sie nicht besser durch den schnee 'ruderten', da er ja nicht geräumt ist? oder müssten die strassen von ihnen...doch wohl nicht. ein bisschen stimmts ja schon, schwarze mäntel halt meistens, im winter, die 'gleichgewicht suchend' durch die luft rudern. walser ist hal ein poet, was will man! das ist nur seine blumige sprache, die kann man lesen. hätte man lesen können, wäre man da nicht in etwas schiefes hineingeraten. gar nicht so einfach, das zu imitieren. und dann das schweigen: ja, das schweigen. da lernt man wörter kennen! ist ja logisch. nur bei walser lernt man leider keine wörter kennen. da lernt man umständliches, unzureichendes, überflüssiges und peinliches kennen. das kann man doch nicht wörter nennen. und sätze schon garnicht. noch die 'fürchterlichste vorstellung überhaupt' wirkt ausgetrocknet, bloss demonstriert, aber nicht dargestellt und nicht erlebt, keinesfalls. vielleicht ists ja eben doch nur höchstens die zweitfürchterlichste. aber wer keines echten ausdrucks fähig ist, nimmt eben gern den superlativ, das wirkt immer. halleluja! und es geht gleich so weiter im text, es geht immer so weiter, das ganze buch hindurch. ich füge nahtlos an: >Ich war von Amsterdam so jäh weggefahren, ich musste sofort hinaus nach Stadelheim, weil ich glaubte, er könne es doch getan haben. Und fürchterlicher konnte nichts sein. Also hin zu ihm. Dann sitzen und nichts sagen. Einfach weil man, wenn jemand jemanden umgebracht hat, nichts mehr sagen kann. Jetzt merkte ich, dass mir der Tote kein bisschen leid tat, nur der Täter. Der Tote leidet doch nicht mehr. Aber der Täter...der kann keine Sekunde lang an etwas anderes denken als an die Sekunde der Tat. Ich müsste mich, wenn mir das passierte, sofort selber umbringen. Nicht, um mich zu strafen, nicht, um zu sühnen. Nur weil es nicht auszuhalten wäre, dieses ewige, unablässige Drandenkenmüssen. Und der sass mir gegenüber, sah mich an, ruhig. Das habe ich mir eingeredet. Ruhig. Er war erledigt, zerquetscht, er hatte sicher immer noch keinen ruhigen Schlaf gefunden. Die Augen. Jetzt erst verstand ich diesen Blick. Dieses vollkommen Tendenzlose. Keine Gesellschaft, bitte. Keine Teilnahme. Achten Sie, bitte, mein Nichtinfragekommen für alles. Ich komme in Frage nur noch für nichts. Und diesen Ausdruck hatte ich für ruhig gehalten. Halten wollen. Etwas Unwiderrufliches getan haben. < das ist doch alles
unreifes zeugs. hier wie andernorts, überall. noch fürchterlicher
kann nichts sein. soll ichs beim zweiten mal glauben? als wenn jemand
jemanden umgebracht hat. gutes deutsch, nicht wahr? einfach weil man,
wenn jemand jemandem so was schreibt, nur lachen kann. der leser leidet
doch nicht. nur der schreiber. er tut mir aber kein bisschen leid. ich
müsste mich, wenn mir sowas passierte, sofort umbringen. ehrenwort.
nur weil es nicht auszumalen wäre, dieses ewige, unablässige
drandenkenmüssen. ich wär zerquetscht. erledigt, genau. ich
möchte mein nichtinfragekommen nicht mehr erleben müssen.
so wär das, schriebe ich wie walser. dieses vollkommen tendenzlose.
schreiben geht doch so viel einfacher als denken. ich kann keine sekunde
lang an etwas anderes denken als an die sekunde des schreibens. ich
komme in frage nur noch für das schreiben, hiesse ich walser. und
mein ausdrucksvermögen hielte ich auch noch für vielfarbig.
unwiderruflich. |
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