auf seite 7, ganz
am anfang des ersten kapitels, behauptet grass: 'auf engem raum wurde
meine kindheit beendet, als dort, wo ich aufwuchs, an verschiedenen
stellen zeitgleich der krieg ausbrach'. er schreibt: 'mit ehernen worten
wurde in einer parterrewohnung, die teil eines dreistöckigen miethauses
im langfuhrer labesweg war, das ende meiner kinderjahre ausgerufen.'
und er sagt: 'sogar die uhrzeit wollte unvergesslich sein.'
mit dem ersten satz rennt er natürlich sämtliche ihm offenstehenden
türen ein. nur wird nichts davon sich bei weiterer lektüre
bewahrheiten, ich garantiere: nichts! da tischt er schon zu mächtig
auf. die 'ehernen worte' des zweiten satzes grenzen schon an patetischen
kitsch. als wäre der trommler des zaren in der wohnung gestanden.
dasselbe beim lesen einer boulevardschlagzeile: kauft man, vom fettgedruckten
marktschrei angetörnt, das blatt, ist das erwartete keineswegs
im artikel zu finden, hat die schlagzeile mehr ausgesagt als der text,
ja überhaupt einen text suggeriert, den es garnicht gibt. und dass
die uhrzeit unvergesslich sein wollte - also meine will nur immer mit
mir ins bett. ehrenwort.
auf seite acht die frage: 'warum überhaupt soll kindheit und deren
so unverrückbar datiertes ende erinnert werden, wenn alles, was
mir ab den ersten und seit den zweiten zähnen widerfuhr, längst
samt schulbeginn, murmelspiel und verschorften knien, den frühesten
beichtgeheimnissen und der späteren glaubenspein zu zettelkram
wurde, der seitdem einer person anhängt, die, kaum zu papier gebracht,
nicht wachsen wollte, glas in jeder gebrauchsform zersang, zwei hölzerne
stöcke zur hand hatte und sich dank ihrer blechtrommel einen namen
machte, der fortan zitierbar zwischen buchdeckeln existierte und in
weissnichtwieviel sprachen unsterblich sein will?' ja, warum? warum
soll man ausgerechnet grass lesen, diese ineinandergemurksten rattenkönigsätze,
nicht? erste übung für fortgeschrittene: bring diesen satz
in gutes deutsch! zweite übung: stell keine fragen, die du nicht
zu beantworten gedenkst. deine sprache sei wahr, klar, knapp, kraftvoll
- wa-kla-kna-kra! ab den ersten zähnen!
weiss einer, was das heissen soll: 'weil vorlaut auffallend etwas fehlen
könnte'? hat einer löcher gesehen, die in den brunnen gefallen
sind? hat einer das wachstum in den brunnen fallen sehen? oder den sprachverkehr?
grass hats zu bieten: 'weil wer wann in den brunnen gefallen ist: meine
erst danach überdeckelten löcher, mein nicht zu bremsendes
wachstum, mein sprachverkehr mit verlorenen gegenständen.' echt
kunst, was?
dass die erinnerung das versteckspiel der kinder liebt - geschenkt.
dass sie allerdings dem gedächtnis widerspricht - das ist schon
höherer grass. und wenn ihr endlich 'mit fragen zugesetzt wird,
gleicht die erinnerung einer zwiebel, die gehäutet sein möchte,
damit freigelegt werden kann, was buchstab nach buchstab ablesbar scheint:
selten eindeutig, oft in spiegelschrift oder sonstwie verrätselt.'
stringenter vergleich, buchstab nach buchstab und doch verrätselt.
wer hälts am längsten aus, ohne zu weinen? das beste am satz
ist der verleger, der sich noch getraut, freigelegt statt frei gelegt
zu drucken! wer hackt die zwiebel, bevor er sie häutet? ein nobelpreisträger:
'die zwiebel hat viele häute. es gibt sie in mehrzahl. gehackt
treibt sie tränen. kaum gehäutet, erneuert sie sich. erst
beim häuten spricht sie wahr.' fertig mit kaffeesatzlesen! was
klopft mit tatsachen an und verlief schlimmer als gewollt? 'was vor
und nach dem ende meiner kindheit geschah, klopft mit tatsachen an und
verlief schlimmer als gewollt.' hättste nicht gedacht, wie?
mit solchem kram speist er mich ab, und erst drei seiten sind gelesen.
natürlich schreibt jeder schriftsteller nicht nur herausragende
sätze, vergreift sich mal im bild, im ton, in der aussage. aber
doch nicht andauernd! grass schreibt nicht einmal zweitrangig, bei weitem
nicht.
hingegen liebt er die relativsätze: 'als bei anhaltend schönem
spätsommerwetter in danzig und umgebung der krieg ausbrach, sammelte
ich - kaum hatten die polnischen verteidiger der westerplatte nach vier
tagen widerstand kapituliert - im hafenvorort neufahrwasser, der mit
der strassenbahn über saspe, brösen in kurzer zeit erreicht
werden konnte, eine handvoll bomben- und granatsplitter, die jener junge,
der anscheinend ich war, während einer zeitspanne, in deren verlauf
der krieg nur aus sondermeldungen im radio zu bestehen schien, gegen
briefmarken, farbige zigarettenbilder, zerlesene wie druckfrische bücher,
darunter sven hedins reise durch die wüste gobi, weissnichtwasnoch
eintauschte.' na, beim ersten durchgang geschafft? und in parentese:
vergegenwärtigt sich einer noch den eingangssatz: 'auf engem raum
wurde meine kindheit beendet, als dort, wo ich aufwuchs, an verschiedenen
stellen zeitgleich der krieg ausbrach'? mit ehernen worten...! und sammelt
munter zigarettenbilder...
wie feingeistig aber: 'wer sich ungenau erinnert, kommt manchmal dennoch
der wahrheit um streichholzlänge näher, und sei es auf krummen
wegen.' wem stösst die erinnerung das knie wund, wem hat sich ertastbar
die haarspange der mutter erhalten? jawohl, erraten. es handelt sich
um grass. wir sind am ende der vierten romanseite. gleich darauf erfahren
wir etwas über die ihm begehrenswertesten bilder. und dass er früh
falsch aussprechen lernte. und dass ihm das nackte rückenfleisch
einer liegenden frau mit dem namen des malers velázquez verkuppelt
gewesen. wir sind erstens im krieg und zweitens bei gestelzten wendungen
angekommen. grass wendet nicht blatt um blatt, sondern 'blatt nach blatt'.
er sagt nicht, zerlesene und druckfrische bücher: viel zu gewöhnlich!
zerlesen wie druckfrisch müssen sie schon sein. in der sammlung
seiner zigarettenbilder ist er 'auf vollständigkeit aus'. er unterscheidet
nicht wie normalsterbliche auf den ersten, sondern 'auf ersten blick'.
hat man schon gehört, dass gleichungen fix im kopfrechnen sein
können? lest das buch, seite 14! 'fix im kopfrechnen, gingen auf
dem papier meine gleichungen mit zwei unbekannten nur selten auf.' die
antworten wünschen abgefragt zu werden: 'auf wunsch abgefragt von
der mutter...kamen des sohnes antworten treffsicher.' der krieg hat
seine kindheit auf einen tag, einen schlag beendet. doch er sammelt
fleissig bildchen, seitenlang. seine sorge, dass es langsam an nachschub
mangelt: 'nach kriegsbeginn verebbte der gutscheinsegen. aus zivilen
rauchern wurden soldaten, die weit weg von zu hause ihre juno oder r6
pafften. einer meiner zuverlässigsten lieferanten, ein kutscher
der aktien-bierbrauerei, fiel beim kampf um die festung modlin.' wahrscheinlich
beim paffen einer r6. dafür kamen dann gleich 'andere serien in
umlauf: tiere, blumen, glanzbilder'...wie tröstlich. die aussage,
auf seite 16 wiederholt, seine kindheit sei mit dem beginn des krieges
beendet gewesen, ist doch nichts als schaumschlägerei. man fragt
sich schon hier, im ersten kapitel, in welche windungen dieses undichters
man beim lesen wohl gerät. bekömmliche sinds keinesfalls.
er will uns erzählen, die deutsche einheit habe ihre ersten spuren
schon hinterlassen, als sie gerade begann. doch er belegt diese erstaunliche
behauptung mit nichts. er schreibt ziemlich gestelzt, unbeholfen, er
schreibt zuweilen unmöglich, manchmal närrisch, oft grossspurig.
gewiss gibt es schlechtere und bessere passagen, gute aber keine. mehr
als aufzählerisches geklapper findet man nicht. ein kollege wird
mitglied des jungvolks. er, klein günter selbst, ist nicht besonders
begeistert, aber macht mit. nicht nur die uniform lockte. zeltlager,
geländespiele, strandwälder. der anführer ein pfundskerl.
günter will weg vom vater, weg vom mief. auf den zwischenbrettern
stapeln sich bücher. seine nische links, die der schwester rechts.
der wechsel von der volksschule zur oberschule. undsoweiter. alles irgendwie
hingekritzelt, nicht einmal erzählt, nur information. er hat keinen
sinn für stimmung, für ambiente. 'ich kam treppauf, treppab
in mietshäuser, in denen es von stockwerk zu stockwerk anders roch.
der geruch, der garender weisskohl freigibt, wurde vom gestank kochender
wäsche übertönt. ein stockwerk höher roch es vordringlich
nach katzen oder kinderwindeln. hinter jeder wohnungstür miefte
es besonders. säuerlich oder brenzlig, weil die hausfrau gerade
ihre locken mit brennscheren gedreht hatte. der duft älterer damen:
mottenkugeln und uralt lavendel. der schnapsatem des verwitweten rentners.'
bislang die beste passage überhaupt. aber auch das hat keinen schmiss,
keine tiefe, keinen zauber und kein empfinden. langeweile pur. die im
suff prügelnden väter, die gestelzt hochdeutsch schimpfenden
verwaltungsbeamten, die verstummten oder stotternden kinder, die liebe
zu hunden und kanarienvögeln, die in höchster tonlage keifenden
mütter - mehr als klischee bringt grass nicht zustande. und wo
er eigene stilistische wege beschreitet, wirds gleich peinlich.
der roman, kein zweifel, ist eine fleissarbeit. inneres erleben, mitteilbare
empfindung und dichterische gestaltung gehen ihm aber vollends ab. geschichten,
'deren triebwerk die treulosigkeit war' und 'tränen verschiedener
grösse' und das vermögen, 'die zeit rückläufig werden
(zu) lassen' - hilflose, manchmal lächerliche, manchmal ärgerliche
bemühungen, sich interessant zu machen. konturloses hüttundhott,
kulturlose sprache. so endet das erste kapitel. versuchen wirs noch
mit dem zweiten.
schulden und schuld - zwei wörter, 'so fest im nährboden der
deutschen sprache verwurzelt.' 'die nachweisbare wie die verdeckte oder
nur zu vermutende schuld' - was tut sie? 'immerfort tickt sie und ist
selbst auf reisen ins nirgendwo als platzhalter schon da.' sie sagt
aber auch 'ihr sprüchlein auf'. und plötzlich, wie durch ein
konsubstanzielles wunder, steckt sie natürlich auch in der zwiebel,
die nachweisbare wie die verdeckte oder nur zu vermutende: '...und steht
dann doch, sobald die zwiebel pelle nach pelle geschrumpft ist, dauerhaft
den jüngsten häuten eingeschrieben.' und zwar 'mal in grossbuchstaben,
mal als nebensatz oder fussnote, mal deutlich lesbar, dann wieder in
hieroglyfen...' keine schlechte leistung einer schuld, einer zwiebel
als fussnote oder hieroglyfe zu dienen. man prüfe die zwiebeln
im supermarkt! folgerichtig muss dann klein günter dem alten grass
beim häuten der zwiebel helfen. das geht nämlich so: 'sobald
ich mir den jungen von einst, der ich als dreizehnjähriger gewesen
bin, herbeizitiere, ihn streng ins verhör nehme und die verlockung
spüre, ihn zu richten, womöglich wie einen fremden, dessen
nöte mich kaltlassen, abzuurteilen, sehe ich einen mittelgrossen
bengel in kurzen hosen und kniestrümpfen, der ständig grimassiert.
er weicht mir aus, will nicht beurteilt, verurteilt werden. er flüchtet
auf mutters schoss. er ruft: ich war doch ein kind nur, ein kind...'
seitenlange spiegelfechtereien solcher art. und dann der dauernde, närrische
wechsel vom ich zum er und zurück: 'aber wo war ich, wenn ich anwesenheit
nur vortäuschte? welch entlegene richtung bezog der grimassierende
junge, ohne das wohn- oder klassenzimmer zu verlassen?' und dann gleich:
'in der regel war ich zeitabwärts unterwegs.' aha. die zeit läuft
nicht zurück bei grass, sie muss abwärts laufen. vermutlich
durchs 'wohn- oder klassenzimmer'. je nach laune des zimmers, wies grad
heissen 'will'. ja gewiss, abwärts, denn günterchen ist 'unstillbar
hungrig nach den bluttriefenden inereien der geschichte'. ist das ironie?
nein, quatsch. und natürlich auch 'vernarrt ins stockfinstre mittelalter'.
oder 'in die barocke zeitweil eines dreissig jahre währenden krieges.'
ach wie putzig! zwar war ihm 'die gegenwart mit ihren führerreden,
blitzkriegen, u-boothelden und hochdekorierten fliegerassen samt militärischen
einzelheiten abfragbar geläufig....aber zugleich bewegte ich mich
im heerwurm der kreuzfahrer in richtung jerusalem, war knappe der kaisers
barbarossa...' ein roman halt voll barocker zeitweil. und voller grimassen,
immer wieder. was stand am anfange? 'auf engem raum wurde meine kindheit
beendet, als dort, wo ich aufwuchs, an verschiedenen stellen zeitgleich
der krieg ausbrach'. was also soll nun das alberne geplapper! wem übrigens
fiele es ein, einen dreizehnjährigen zu verurteilen, wie grass
die ganze zeit intendiert! scheinheiliges gequassel um nichts! die schuld,
immerfort tickt sie undsoweiter, dauerndes geraune deshalb im zweiten
kapitel. welch ein eiertanz!
'ihr verlangsamtes reden glich abgestandener dickmilch, auf die sie
geriebenes schwarzbrot, gemischt mit zucker, streuten.' ganz schön
unortodox der vergleich, nicht wahr? anderes reden gliche dann wohl
einer cola? langsam tickt nicht nur meine schuld, die nachweisbare wie
die verdeckte undsoweiter, langsam beginnt bei der lektüre mein
hirn anders zu ticken, fürchte ich.
dann folgt allerhand pseudoselbstkritisches zum tema jungnazi, klar
muss da die zwiebel wieder helfen, lispelnd diesmal. dann soll mich
interessieren, dass er pubertäre pickel bekämpfte, dass ihm
der hl. geist fasslicher als gott erschien und dass er ein dummer junge
war. dass er einem turnlehrer unverschämt frech geworden und dass
er in seife gebissen und dass seine mutter auf das figurenkritzelnde
söhnchen stolz gewesen. ei der dauss! 'mit ehernen worten'! schicht
um schicht lagert nämlich 'die zeit. was sie bedeckt, ist allenfalls
durch ritzen zu erkennen. und durch solch einen zeitspalt, der mit anstrengung
zu erweitern ist, sehe ich mich und ihn zugleich.' alles klar?
es gelingt mir nicht, eine andere psychologie in grass' buch zu erkennen
als grossspurige geschwätzigkeit. grass schreibt über alles
und nichts. will er wichtig tun, schreibt er gespreizt. will er erzählen,
langweilig und belanglos, schablonenhaft, klischiert. er besitzt nicht
das geringste sprachgefühl. von anschaulichkeit, von eloquenz keine
spur. am ehesten ist diese literatur einem treppenhausgequatsche verwandt.
mit ein paar pseudoknüllern zur marktförderung. wems gefällt,
der solls lesen. man hätte ebensogut den nächstbesten groschenroman
am kiosk kaufen können. man wird gleich alles wieder vergessen.
unter lauter gerümpel wartet - 'eines undatierten tages' - ein
koffer auf ihn.
'lag er unter verschlissenen matratzen?
tippelte auf dem leder gurrend eine taube, die sich durch die dachluke
verflogen hatte?
hinterliess sie, von mir aufgescheucht, frischen taubenmist?
wurde der verknotete bindfaden sofort aufgedröselt?
griff ich zum taschenmesser?
hielt mich scheu zurück?
trug ich den eher kleinen koffer treppab und überliess ihn brav
der mutter?
weitere möglichkeiten bieten sich an, sind....'
genug! killekille für schwachköpfe!
was tut grass, 'wann immer mein anderes hilfsmittel, die imaginierte
zwiebel, nichts ausplaudern will oder ihre nachrichten mit kaum zu entschlüsselnden
lineaturen auf feuchter haut verrätselt'? er greift, man glaubt
es kaum, zum bernstein! 'hier, dieses honiggelbe stück, das durchsichtig
und nur zum krustigen rand hin milchig eingetrübt ist. wenn ich
es lange genug gegen licht halte, das ständige ticktack in meinem
kopf abstelle und auch sonst durch nichts, keinen tagespolitischen oder
sonstwie gegenwärtigen einspruch abzulenken, also ganz und gar
bei mir bin, erkenne ich anstelle des eingeschlossenen insekts, das
soeben noch eine zecke sein wollte, mich in ganzer figur: mein penis,
der im ruhestand noch knabenhaft ist, vergleichbar dem des amor, den
ein genialer, doch auch der mordtat fähiger künstler für
eines meiner zigarettenbilder gemalt hat, will als erwachsen gelten,
soblad er sich aus blossem mutwillen oder nach kurzem gefummel versteift
und die eichel freigibt.'
das ist grass! meingott...welch ein ticktack! wahrscheinlich bildet
er sich auf einen solchen satz noch einen kuckuck ein. keinen tagespolitischen
oder sonstwie gegenwärtigen einspruch, das zeug ist zum fortschmeissen.
dass kein gnädiger korrektor wenigstens den penis im ruhestand
verbessert hat! heiliger penis emeritus! grass vergleicht die 'pein
erster liebe' mit zahnweh. vergleicht sie mit einer marter von 'an-
und abschwellendem, sich ziehendem, hinziehendem schmerz.' und zwar
war die erste liebe 'weder schön noch hässlich', rapportiert
er. dafür plaudert immerhin der bernstein beichtgeheimnisse aus.
ich vernehme mit glühenden ohren, dass der verfasser des romans
'wuchs und wuchs'. dass er schon mit sechzehn als ausgewachsen galt.
dann beschäftigt mich ebenso wie den autor die brenennde, eminent
wichtige frage, ob er nicht doch erst 1.72 mass, als er soldat wurde.
werweiss, werweiss...
doch, wer hätts gedacht, 'diese frage kümmert weder zwiebel
noch bernstein.' glück gehabt. das hätt seitenlang werden
können.
was wehtäte, 'immer noch?' man erfährt es nicht. man wird
es nie erfahren. weder von scham noch von betroffenheit das geringste,
nichts ist empfunden, nahegebracht, überhaupt interessant in diesem
buch. jedenfalls in den zwei ersten kapiteln. es sieht nicht danach
aus, als hätte ich die beispiele, den roman schlechtzumachen, mühsam
zusammensuchen müssen. es geht leider im dritten kapitel so weiter.
geschwollenes und aufgeblähtes: 'nun fehlen die gelenkstücke
eines vorganges, den niemand aufhielt, dessen verlauf nicht rückgängig
zu machen war und dessen wegspur kein radiergummi löschen kann.'
der dichter wird also historisch. kategorie radiergummi: freiwillig
zum dienst mit der waffe gemeldet. 'wann? warum? da ich kein datum weiss
und weder das damals schon wechselhafte wetter erinnern noch aufzählen
kann, was gleichzeitig zwischen eismeer und kaukasus und an den übrigen
fronten geschah, wollen sich vorerst nur zu vermutende umstände
zu sätzen fügen, die meinen entschluss gefüttert, angestossen,
schliesslich auf den dienstweg gebracht haben.'
zu vermutende umstände füttern einen entschluss. der entschluss
auf dem dienstweg. gottlob hat er das wetter vergessen von dunnemals.
gibs auf, günter!
diese krude schreibe schreibt der mann. er sagt, er wolle 'nichts verwinzigen'.
er tut es aber fortlaufend. alles in seiner umgebung, sagt er, habe
mit den nazis sympatisiert oder geschwiegen. und das trüge nicht
zur entschuldbarkeit bei? bei einem kind? 'keine selbst eingeredete
schuld, etwa zweifel an der unfehlbarkeit des führers, verlangte
danach, durch freiwilligen eifer abgegolten zu werden.' grass'sche kompliziertheit
pur. dann tischt er zur entschuldigung oder nichtentschuldigung die
enge der zweizimmerwohnung auf. das tönt dann so, in richtig schönem
deutsch: 'jedes zweite wochenende war dienstfrei. wir durften, so hiess
es, <zu muttern> nach hause. und jedesmal kappte die enge der
zweizimmerwohnung die spitzen meiner vorfreude auf den besuch.' ich
erinnere: 'auf engem raum wurde meine kindheit beendet, als dort, wo
ich aufwuchs, an verschiedenen stellen zeitgleich der krieg ausbrach'.
und nun beklagt er die engen verhältnisse der zweizimmerwohnung!
und schnabuliert von den gekappten 'spitzen der vorfreude'! irgendwie
knicken bei solchem geschnorre die spitzen meiner hirnlappen. das fehlende
bad, das klo im gang. das zweizimmerloch. die falle der herkunft. dass
er auf der couch schlafen musste. wie inhuman! das geflüster der
eltern, die schmatzlaute, allen ernstes. so war das nämlich. jawoll.
logisch, geht man dann am liebsten gleich selbst hin in den krieg. als
soldat stört einen nämlich nicht einmal der mannschftsdonnerbalken.
das nimmt man dann eben heldenhaft hin. zuhause ja doch nur streit mit
dem alten. dieser friedfertige familienmensch. 'und doch können
die mir unerträglich gewordene zweizimmerwohnung und das vierfamilienklo
auf der zwischenetage nicht als einzig ursächlicher anlass dafür
herhalten, dass ich mich eines unbestimmten tages freiwillig gemeldet
habe.' was also noch? wir vernehmen, dass nach stalingrad die frontlage
rückläufig war. dass allenfalls das verbündete japan
erfolge melden konnte. die schwarzweiss geschönten wahrheiten der
wochenschau. ein bollwerk gegen die rote flut. ein volk im schicksalskampf.
undsoweiter. er will nichts verwinzigen. er bläht tatsächlich
alles auf, ob von belang oder nicht. nur bezieht er niemals, niemals
position. er ist nicht zu fassen, und damit füllt er die seiten.
er geht jeder antwort aus dem weg. er spricht von schuld, die niemand
behauptet. dort, wo sie allenfalls wäre, verklärt er den krieg,
distanzlos, unbekümmert und ohne mitleid. er schiebt mal den fünfzehnjährigen
jungen, mal den kriegsbegeisterten ss-soldaten vor. er tut dergleichen,
schreibt von bollwerk und rache und schicksalskampf, 'gingen meine wünsche
etwa in diese richtung?' stichelt er. doch was kommt jetzt, wo der hammer
kommen müsste: 'nichts gibt auskunft darüber, was in einem
fünfzehnjährigen vorgeht...'
da kannste noch lange deine zwiebel häuten. aber ohne mich. wäre
grass als schriftsteller wirklich erste reihe, kämen mir jetzt
die tränen über den zustand der deutschen dichtung. aber so
ist es ja nicht.
ich habe einfach fertig nach knapp neunzig seiten. ich habe nichts gelernt
und nichts verpasst. die fernseh- und feuilletondebatten darüber,
ob man grass jetzt, nach diesem roman, anders lesen sollte - zum lachen,
nichts weiter. ich habe dem ganzen brimborium über moral und schuld
nur diese zeilen beizufügen:
ach lasst doch das
getue!
ein dichter war er nie.
gönnt ihm die letzte ruhe,
und euch ein junggenie.
denn nicht zuletzt,
so heisst es:
der mensch sei ein denkendes wesen!
und soll, zur pflege des geistes,
nicht grass - sondern krass anders lesen!