schandfleck.ch_textkritik/2005/juli |
daniel
costantino
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karlheinz deschner |
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was
schert mich das christentum? so dachte ich als junger erwachsener. gewiss,
die alten. trost ihren seelen! die geschenke unterm tannenbaum. kinderaugen
sollen leuchten. und, wie mir noch heute scheint, der pfarrer meiner jugendlichen
tage ein rarer und verständnisvoller erwachsenengeist. doch war der
schaden von seinem vorgänger schon angerichtet: die angst vor der
hölle, gottes allwissende kontrolle, die sünde schon im keime,
in den gedanken erkannt und für die abrechnung schlechtgeschrieben
und bereitgehalten, das beschämende gefühl der minderwertigkeit,
ausgeschlossen von der gnade und dem verstande, die symbole und rituale
des christetums zu verstehen, von der herde auch, natürlich. solches
überwog denn doch und provozierte einen der ersten emanzipatorischen
schritte: den austritt aus einem verein, an dessen dogmen ich nicht glauben,
dessen gebräuche mich nicht faszinieren konnten. entweder man identifiziert
sich mit einer sache oder kehrt ihr den rücken. entweder man bekenne
mindestens, dass es gott, dass es diesen gott gebe und er seinen sohn
geschickt, uns zu erlösen. oder man nenne sich nicht christ. glaubensfremd
sei ich, hatte ich der entgeisterten zuständigen dame gesagt zur
begründung, damit mein austritt auch mit amtlicher tinte beglaubigt
werden konnte.
ein schlussstrich. die sache ging mich nichts mehr an. so glaubte ich. über den irrtum hat mich deschner aufgeklärt, 15 jahre später. eines sonntags, etwas gelangweilt blättere ich in der zeitung, ein interview mit ihm, dessen name mir nichts sagte. ich wills eigentlich nur überfliegen, rasterlesen. doch ich bleibe hängen, beginne von vorne, zeile für zeile nun. für nichts auf der welt werde soviel geld verplempert wie für ihre verdummung, sagt der ältere herr. ob er nicht ein wenig nachsichtiger sein könne mit den menschlichen schwächen? doch deschner hält dagegen, wenn hinter den menschlichen schwächen kriminaldelikte stünden von säkularformat, welthistorische verbrechen, die man auch noch als moralische, vaterländische, christliche grosstaten glorifiziere, ob er da komplize werden solle, die geschichte auch durch die brille geknebelter pfaffen und staatshöriger historiker betrachten solle. was für worte zum sonntag! während man sich zum christentum bekennt, es verbreitet mit feuer und schwert, kreist alles nur um besitz und herrschaftsakkumulation, um macht- und ruhmsucht! es gehe nicht um das nichterreichen eines ideals, sondern um seine verkehrung ins gegenteil. und um die unverschämtheit, dies auch noch als das ursprüngliche auszugeben. aber auch das ursprüngliche alles andere als ursprünglich, vom dümmsten brauch bis zum heiligsten dogma restlos alles schon dagewesen, vom weihnachtsfest zur himmelfahrt lauter plagiate. aus der erinnerung, das interview ist nur in gekürzter form in deschners buch 'oben ohne' für mich noch greifbar, aus der erinnerung weiss ich noch, dass mir beim lesen der gedanke kam, wie sehr ich eigentlich trotz allem noch von diesem christentum durchsetzt war, infiziert, metastatisch vergiftet, dass es keineswegs um religion alleine dabei ging, sondern um gehorsam, verdummung, dass die erziehung, die bildung, dass die sozialen beziehungen davon verseucht, dass auch ich in hohem masse immer noch davon betroffen war, ohne es gemerkt zu haben. wenn der mensch, so dachte ich, seine bücher so schreibt, wie er hier redet, dann muss ich ihn sofort lesen. das ist nun auch schon fast zehn jahre her. deschner hat mich nicht enttäuscht. von anfang an war ich von seiner sprache begeistert. nie hätte ich mich sonst durch die bislang acht bände der 'kriminalgeschichte des christentums' gelesen, welch andere art, geschichte darzustellen, wie wohltuend unterschiedlich von herkömmlicher geschichtsschreibung, die sich objektiv, neutral, ausgewogen gibt und es doch nicht im geringsten ist. als wäre es denn erstrebenswert! nicht zuletzt in meiner beruflichen tätigkeit erlebe ich, wes geistes kind im staate weht, wenn ich militärverweigerer berate, wie sie in den zivildienst kommen und die sogenannte gewissensprüfung schaffen: das christentum, seine ganze borniertheit und verlogenheit, herrscht in allen akten der instanzen, ziviler- und militärischerseits, es legt die pfoten auf die verfassung, prägt den begriff des gesunden menschenverstandes, die definition 'sittlicher werte', auch die psychiatrie, notabene die militärpsychiatrie, mit der ich auch beruflich zu tun habe, zehrt davon und diskriminiert individualität und freiheitliche bestrebungen, wo sie kann. nein, mit deschners subjektiver art kann man sich auseinandersetzen, da wird keiner von der hohen akademischen warte erschlagen, von korrupten und 'wertfrei' sich gebärdenden intensionen inflitriert - gerade er fordert unentwegt zum eigenen aktenstudium auf, seine argumente zu überprüfen, mit einem riesigen apparat von quellenangaben. indes andere, ich denke zum beispiel an hobsbawm ('das zeitalter der extreme'), so schreiben, dass man nur glauben, nur gläubig auswendiglernen und nachbeten kann - oder die lektüre wegen gesträubten fells abbricht und in zukunft unterlässt. ich bin der meinung, wer schlecht schreibt, verdient nicht, gelesen zu werden. ich glaube, wer schlecht schreibt, denkt schlecht. wird sich, wenn er der sprache überhaupt mächtig, im ungefähren bewegen, im bereiche der moden, des imitats, des kitschs. wird wohlfeil zu markte tragen, was andere ihm vorgekaut. er hat brei im mund. er stanzt schablonen und dekoriert mit allerhand geflunker. sein wortschatz ist bescheiden, der rytmus verhackt, die bilder dürr und farblos, die vergleiche konventionell und kaum noch von leben erfüllt. was also interessieren da möglicherweise noch korrekte aussagen, windfahnen, anpassung an den zeitgeist! so es nicht sowieso lächerliche entblössung, unfreiwillige komik ist, handelt es sich um rabulistisches geschnorr. die teologie strotzt davon, die geschichtsschreibung ebenso. von den massenmedien und ihren kolporteuren zu schweigen. deschners werke sind anklage. empörung, protest. tiefes mitgefühl mit den unterdrückten, geknechteten leitet ihn. seine mittel sind eine geschliffene, erstklassige sprache, ein grosser wortschatz, zuspitzung, sarkasmus. er schreibt formvollendet und beherrscht die musik der sprache. wenn er auch, von zwei frühen, vergriffenen romanen abgesehen, sachbücher schreibt, so pflegt er doch einen künstlerischen stil, sind seine werke durchdrungen von geist und seele. für mich: einer der besten schriftsteller der gegenwart. einer, der höchsten ansprüchen genügt. einer, bei dem die lektüre grossen spass macht. um die neugier,
die ich vielleicht geweckt, zu befriedigen, hier der anfang eines 1976
geschriebenen textes: "man kann auch zum kopf einer sardine beten, wenn man fest daran glaubt." japanisches sprichwort es ist natürlich,
dass der mensch nachdenkt, neugierig wird, staunt - anfang, nach platon
bereits, jeder filosofie. doch war es natürlich noch, dass man
immer weiter sich fort- und hinaufgeträumt, mit wachsender brunst
und stets kruderer optik eine 'andere', 'höhere welt' zu schauen
vermeint, schwellende busen schon für beweise, zappelnde seelchen
für metafysische gewissheit gehalten hat, das bloss ersehnte auch
für existent? diese drei kurzen seiten im taschenbuchformat, der auftakt eines fulminanten, hundertseitigen essays, beinhalten alleine schon vierzehn fussnoten mit quellenangaben - von schliesslich 299. ich empfehle zum kurzvergleich auf dieser homepage folgenden link: johannes paul II: erinnerung und identität erkennt man in der gegenüberstellung nicht die wahrheit, dass eine gute sprache eine redliche, eine schlechte eine unredliche ist? |
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