schandfleck.ch_archiv/2004/september |
daniel
costantino
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die folterdebatte im "spiegel" |
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das
ding gilt als intellektuellenblatt, leibspeise denkender menschen, leuchtturm
des journalismus, preisgekrönt gerade deshalb immer wieder, bisschen
kopflastig, doch unerreicht und vielbenieden. augstein und seine mannen,
die ausgezogen, die politiker das fürchten zu lehren und für
die demokratie wie gegen überdimensionierte windmühlen ankämpfen,
wo es geht, sümpfe der korruption trockenlegen und gegen lüge
und betrug die meinungsfreiheit verteidigen.
ja, meinung und so: wichtiges gut, verantwortung, erziehung zum staatsbürger, der sich eine bilden soll. eigene, klaro, nicht einfach dreinfahren drum und ausgewogen. objektiv! wie das geht? so macht man das: "rückkehr
in die barbarei! die dunkle welt der folter!" prangt auf der titelseite
36/04. illustriert, wegen
meinungsbildungsprozess und so, mit greulichen folterbildern, einer
zeichnung aus alten zeiten, ziemliches mittelalter, wies scheint, und
aktuellen fotos. brr aber auch! schwer beeindruckt also. ich, kleiner wicht, der mit roten ohren der dinge lauscht, die ihm aus der weiten welt kundgetan. bisschen aufgegeilt gar, hm? oder muss ich mir die sache aus höheren gründen reinziehen, so als intellektueller sollte ich ja informiert sein, nicht wahr, und nicht abgehoben im elfenbeinturm so vor mich hin denken und seelenputzend dahindümpeln. kein wichtiges tema verpassen, nur das nicht! kleine gedächtniszelle aus besagtem elfenbein meldet sich blöderdings: da hast du doch paar nummern zuvor ganz anderes gelesen....scheisse, wenn einer mit einem solchen sprachgedächtnis geplagt. nämlich über die feiern zum 60. jahrestag des d-day. ja, feiern. nicht feste gerade, das nun nicht. freude eierkuchen für gehobene sozusagen, für intellektuelle zum beispiel (23/04): "mit der landung
der alliierten in der normandie am 6. juni 1944 begann die befreiung
westeuropas." die haben nämlich
brutal gefoltert und misshandelt! habt ihr nicht gewusst? die kamen
nämlich aus dem osten! also der atombombenschmiss wäre weniger schlimm gewesen als stalins truppen. die lieben amis hätten selbst das für uns getan! westdeutschland wäre nie, nie, nie eine demokratie geworden. ostdeutschland ist es ja bis heute nicht, nicht wahr. aber es wäre eben alles anders gekommen. die russen hätten auf ewige zeiten alles geschluckt. mindestens tausenjähriges reich. zum frühstück drei eier im glas, wodka pur, und dann wird kräftig an den demokratien gerüttelt. cha-cha-cha! wes brot ich fress,
des lied ich sing. gilt nicht nur für den spiegel. auch für
die preisverleiher. alles in allem also eine "heroische vergangenheit"
dieser krieg, lese ich. heroisch also. wacker.
moralisches recht. befreiung. vom faschismus, dem kommunismus, und überhaupt. "der vergleich mit der heroischen vergangenheit ist für bush allerdings riskant..." kleiner sprachkritischer
einschub, ich lass mal die experten sprechen: ganz sachlich, plötzlich, dann wieder das interview mit dem historiker oder was in 35/04. fachsimpelei über die richtigkeit der alliierten-taktik, das deutsche volk durch pausenloses bombardemt wichtiger städte zu zermürben und es mit seinem führer zu entzweien. nicht, ob die taktik vertretbar gewesen, ist die gretchenfrage, sondern, ob sie aufgegangen sei oder ob nicht anderes entscheidender war... perfider vielleicht,
und deshalb effizienter? wie immer: zehntausende,
hunderttausende gequält, verkrüppelt, mausetot. doch da nun, 36/04,
über die folter, als wäre ein schöngeschnorrter krieg,
als wären atombombenschmeissereien nicht die steigerung des worts.
rückkehr in die barbarei! dunkle welt der folter! die "geissel
der götter". "charles graner", einer der folterknechte im irak, "wurde durch solche folterfotos zu einem symbol des skandals, der die westliche welt erschütterte und die nahöstliche in all ihren (vor)urteilen bestätigte." bisschen viel aufs mal, find ich. bin doch wohl zuwenig intellektuell, das alles zu raffen. also "der spiegel" publiziert die fotos, marktschreierisch, eierkützlerisch, bauscht alles zu einer riesigen wiederkunft des bösen auf erden auf, indes er noch weit schlimmeres schönfärbt, und jetzt ist der graner schuld: "weiss er, was er angerichtet hat? ahnt er das weltweite entsetzen, das die bilder, welche die ermittler auf seinem laptop fanden, ausgelöst haben?" jetzt sind ein paar
folterer schuld dran, dass die westliche welt, offenbar in ihren moralischen
grundfesten, erschüttert ist. ins mark getroffen, götter!
also welche bestätigung nun des nahen ostens? wo wäre denn
intellektuelle redlichkeit oder so etwas wie eine halbwegs moralische
haltung hinter diesen zuweisungen und dem ganzen geschrei auszumachen?
heroische morgartengeschichten,
böse, böse einzeltäter, leider. weiss "der spiegel",
was er anrichtet in den köpfen seiner leser, wenn er so zu schreiben
beliebt? "wie konnte es passieren, dass der von präsident george w. bush ausgerufene krieg gegen den terrorismus an der frontlinie mit ähnlich brutalen mitteln geführt wird, denen sich auch die gegner bedienen?" ganz einfach: indem die geschichtsklitterer ihr handwerk schon am aktuellen geschehen ausüben. so wird das volk allmählich dummgemacht, so dumm, wie es die presse eben haben will. erst dann kann man ihm die sache so auftischen. wie denn sonst konnts passieren, dass wir den demokratischen kriegern nie, aber wirklich auch nie zugetraut, dass sie ähnlich brutal metzeln, verstümmeln und....ja, foltern wie ihre gegner? man drücke mir nicht auf die tränendrüse und halte solches geschwiemel für glaubhaftes entsetzen ehrenwerter gutmenschen. ach wo. aber denn doch,
der ehre halber seis dem "spiegel" gepfiffen mit trompeten,
ein wenig kritisch: ja, mit fragezeichen
und keiner antwort drauf hat man dem leser eben ermöglicht, sich
seine eigene meinung zu bilden. durch astreine information, tatsachenberichte,
nichts als die sauberkeit pur. man lese diesen
schwulst nüchtern, welch groteskes lügengebäude steckt
darin: wäre ich journalist und der aufklärung verpflichtet, wie flössen mir solche sätze aus der feder? nie was gehört von negerversklavung, indianerausrottung, atombombenwürfen vietnammassakern, wirtschaftskriegen, erdölmultis....die reihe liesse sich beliebig fortsetzen. ich zähl doch nur auf, was jedem kind bekannt. wer kann sich da noch unglaubwürdiger machen, als er schon ist? der spiegeljournalist. es wird sogar noch
krauser: uff! also die lust der menschheit...nee. und was foltern mit selbstzerstörung denn zu tun hätte - leeres, weisses papier. nein, nicht leeres papier. vier seiten werbung. toyota. jeans. deka. spiegel-leser wissen mehr. kleines àpropos:
als dunnemals, so ums jahr 1990, ein deutscher bundestagspräsident
zurücktreten musste, weil er in einer rede zum holocaust vom nationalsozialismus
als einem faszinosum der geschichte' gesprochen, da hatte gerade
"der spiegel" die kampagne zur absetzung mitbetrieben. das
wort faszinosum, wurde argumentiert, beeinhalte einen durchwegs positiven
begriff und sei also im zusammenhang mit hitlers regime einfach geschmacklos. schon ein perverses spiel: diese frasendrescherei, orgie obszöner zuhälterei, soll den konsumenten dazu verleiten, die zeitung zu kaufen. soll ihn erschrecken und kitzlig machen. und die rechnung geht erst noch auf. und viele viele arbeitsplätze, gutbezahlte, werden erhalten. hört, hört,
kinder: "folterbank und modernisierung sind zuweilen gefährliche
geschwister" - na, jetzt sieht euch aber vor. die schwester der
technik ist die folter. seid auf eurer hut!
blut scheint für diese art journalisten doch nichts weiter zu sein als ein ähnlicher stoff wie die druckerschwärze der marschbefehle. diese dumme, blöde ausnahme der folter! dabei wäre doch ein krieg heutzutage weissgott nichts weiter als ein nach rationalen grundsätzen moderner betriebsführung geleitetes unternehmen, geradewegs die fortsetzung der vernunft mit andern mitteln.' (goedart palm). na also, freunde,
jetzt wissen wirs: die folterpraxis hatte bislang nie system in der
vom westen geführten kriege. denn die demütigung des feindes
und die menschenverachtung liegen keineswegs in der natur demokratischer
kriegsführung. ein gegner, den es zu vernichten gilt, wird von
uns allen geachtet. unsre soldaten, wir, sind keine hunde, die lange
im keller bellen und nun endlich von der kette losgelassen. unsere zeitungen
im freien westen schreiben nichts propagandistisches, welches den feind
als teufel und untermenschen charakterisiert, der dann folglich auch
so behandelt werden darf. wir führen hier, das beispiel der alliierten
beweists, keine primatenkriege. ihre opfer sollen froh sein, von den
briten und amerikanern und nicht von den russen verkohlt worden zu sein.
krieg heisst hier befreiung. irgendwie werd ich den verdacht nicht los, als sei dieser journalismus, am beispiel des "spiegels" hier verdeutlicht, nichts wirklich intellektuelles. kein erzeugnis des denkens- und erkennenwollens. einfach ein reines abklatschprodukt des marktes und der anpassung an ihn. |
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