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schandfleck.ch_archiv/2004/september
daniel costantino

aus der neuen welt

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man versucht alles, uns zu assimilieren, was nichts andres heisst als vor den karren zu spannen, gewinnbringend einzusetzen sozusagen; gleichzuschalten auf untertänig, unauffällig, profitorientiert. auf arschlecken trimmen, weiterkommen, erwachsensein. die leute richten sich alle nach dem winde, marschieren in schritt und tritt, und die obrigkeit bläst den marsch im namen - welcher grad in mode. in meiner kindheit wars gerade die freiheit wieder mal. den so konditonierten leuten bieten, was sie sehen und hören wollen, sehen und hören wollen dürfen: definition der demokratie. alles immer zum wohle, zum besten undsoweiter - der obrigkeit, wird weggelassen. anstand und gute sitten, jaja, gar ein massvolles augenzwinkern hier oder dort, man weiss ja, dass kein mensch vollkommen. nur geht die freiheit, nichtwahr, eben leider schnell auf andrer kosten, wenn sie sich einer herausnimmt über gebühr, soll man nicht, nää, gesundes volksempfinden oder so. kunst, zum beispiel, oder sex: kannst nicht einfach draufloskünstlern und rumficken, hey, verantwortungsvoll, sendungsbewusst, kosten bedenken, den guten geschmack, auf die geistige gesundheit achten, gell! nicht einfach schmutz verbreiten da, moralischen dreck schleudern! integrität! vorbildfunktion! grundwerte bitte zu beachten. man verbietet, unsre eignen sinne zu gebrauchen, verkümmerte intelligenz, verkrüppelte sinnlichkeit; uns in der natur zu behaupten streng untersagt, wir können uns nicht einmal mehr selbst ernähren, vertrottelter als die erniedrigten haustiere; man beginne in der freien natur zu hausen und sich selbst sein fell zu gerben! oder wüsste sich selbständig zu wärmen! menschenkultur ein nebeneinandervegetieren in strengen abhängigkeitsverhältnissen, wie in hühnerbatterien. der einzelne kann alleine nichts, gilt nichts, weiss nichts. man hat die letzten refugien menschlichen charakters kapitalisiert, die geheimsten nischen des gemüts aufgedeckt und instrumentalisiert, die sehnlichsten und aufrichtigsten wünsche umgelenkt und der prostitution ausgeliefert, in allen bereichen gesellschaftlichen lebens. man raubt uns täglich unsre sprache und hat uns ein einfältiges idiom aufgepfropft, ein pures nonsensvokabular. die wahre sprache ausgerottet, sie steht noch in alten museen rum wie ein überdimensionierter dinosaurier, zu edel, zu gross und zu naiv für diese welt der konkurrenz, der ellbogengesellschaft, der untertanenkämpfe gegen untertanen, der gegeneinander aufgestachelten nationen, die alles erobern und beherrschen wollen, sich auserkoren und unbefleckt wähnen und alles ihrer narretei einverleiben, menschen, tiere, sterne. jeder existierende staat in der albernerweise frei genannten welt gründet auf raub, mord und ausrottung jedes menschenfreundlichen gesellschaftsgefüges. nationen: was von beute träumt und vom wahne, sich zu göttern zu erheben.
aus der neuen welt: lüge heisst nun ehrlichkeit, lust schlendrian und schmarotzertum, freude sünde. kein offener austausch erwünscht, keine autonomie erlaubt, pflichten erfüllen, einschränkungen akzeptieren, verfügungen befolgen. wertschöpfung heisst ausbeutung, schöpfgewinn; wohlstand ausgrenzung, hochmut; freiheit profit. eine einzig mögliche person, eine heissersehnte, beginnt uns vorzuschweben, auf die der lebensplan sich richtet, glück und zufriedenheit gründen soll. ach was sag ich lebensplan - wie fantasielos dies wort, wie abgenutzt: aufbauprogramm zur temporären erraffung von besitz und einfluss, flüchtige befriedigung sowieso vorhandener triebe, ohne grosse worte, deren sättigung mit der steigerung des bemühens und zwischenzeitlicher fasterlangung abnimmt, eitles ausschauhalten, nach ansehen schielen, ausdenaugenschaffen, was nicht zuträglich, sich nach einem fixen bilde richten, nach dem günstigsten wind, der wie ein hauch vom tode an einem klebt. lebensplan - weg des rausches, flug, alles gehenlassen, fortspülen, wellenreiten, ein grandioser augenblick, zerbersten mit einem titanischen gelächter, dionysische wonnen, und hernach stille und nacht! renommieren mit einer wahnhaft eingebildeten unsterblichkeit, lebensplan! dennoch: der andre sein, umfangend umfangen. verschmelzen, verzücken, fieber und sinnesrausch, absenz von vernunft, dieser alten vettel, permanenter anarchischer trotz, die geglückte rebellion gegen alle klugscheisser und spiesser. das glück eine halluzinierende imagination, schwebend, fliegend, unentwegt enthusiastisch, etwas, was dies volk ängstigt wie den teufel das weihwasser. ihm gemäss hat das unternehmen lebensplan in einer ehe stattzufinden, in den fängen und netzen einer guten partie. wer ist der götze, zu dem es betet, wer schreibt ihm vor, welcher standart in welchen proportionen zu welchem zwecke zu erlangen wäre! globaler permafrust, dass dieser irrsinn nicht zu packen und nicht zu bannen!
und so leben es einem die eltern vor, das eheleben: frustriert, denn man hat ja doch nicht das vertrauen, sich offen aufeinander einzulassen, woher auch, notzüchtlerisch, und wie könnte es anders sein, sitzt uns doch das wort von den fleischlichen sünden tief in den knochen, und redet mir nicht daher, heute sei dies anders geworden und besser und lachten alle über die hohenpriester die solches von der kanzel herab künden, die macht äussert sich gerade in den sexuellen vorschriften und tabus, in den erotischen konventionen am direktesten, bleibt mir vom leib mit jugendschutz und solchem kleister, wie oft entlädt sich der gestaute frust in einer ohrfeige, in gewaltakten, mordgedanken, morden, kriegen. milliarden seelischer krüppel, recht bedacht der permanente weltkrieg zwischen und unter den geschlechtern. zwinger seelenloser kreaturen, umgang untereinander unter strenger beachtung der hackordnung und selten ohne nutzenabwägung, informeller nonsens, billiger unterhaltungskitsch, unterhalten und dummhalten....ah, die profeten der informationsgesellschaft, ihre claqueure! zum ridikülsten, was zu vernehmen: dass durch die immens gesteigerten möglichkeiten der informationsbeschaffung bald chancengleichheit und damit einher gegenseitiges verständnis und toleranz ausbrächen und die welt dem fortschritt sei dank friedlichen zeiten entgegenstrebe!
man hat versucht, uns gegeneinander auszuspielen. übervorteilung, ungleichbehandlung, auseinanderdividieren. kanns auch im präsens niederschreiben, vergangenheit ist gegenwart, gegenwart alptraum unseres erlebten, wundmal unserer brandmarkung. die distrikte unserer aktivitäten überwacht rund um die uhr, ghetto reiht sich an ghetto, eingangskontrollen, ausgangssperren, abwesenheitsmeldung, zeiteinheiten, bewilligung oder verweigerung und auflagen sowieso und ständig. erst die bewegungsfreiheit nehmen und dann teuer mit ihr handeln. meldepflicht, vom einen ghetto ins andre temporär zu wechseln, wohnparzellen, von nachbarn observiert und allerlei drachen und petzern; schulen und kindergärten, kopfverdrehungsanstalten und dummachende dressur; fabriken, stempeluhren, zuteilung täglichen futters - dein menschenrecht auf arbeit! marktorientierte altenheime, subventionierte abschieberei, die christlich-karitativen anstalten beziehen staatliche pfründen und kriegen die spesen rückvergütet; familienstrukturen: produktion von kanonenfutter und gebärmaschinen, keimzellen des staates, zellkeime eines monsters. registriert, notiert. vorgemerkt hier wie da wie dort. führungsberichte in unsre visagen geschrieben, geschrien, menschenführung so auswahlreich wie die diversen sorten von hundeleinen, schulberichte begründen früh den ruf, zensuren die chancen aufs vorwärtskommen und ihre schmälerung, die lohntüte als gradmesser unserer unterdrückung ergänzt um das recht zu unterdrücken, jenachdem. blossgestellt, ruhiggestellt, kaltgestellt, diese drei attribute haften an uns wie das preisetikett an der ware. harte strafen selbstredend, für alles und nichts, liebesentzug, sanktionen, verwahrung, ächtung, kündigung, bussen. das perfekt als vollendete gegenwart: man hat uns voneinander weggesperrt. im traum finden wir auf schleichpfaden zueinander. geschichten vertaner gelegenheit, mangelnden muts, spähende blicke und das korrumpierte gemüt zerschlagener ideale. wie der ehemann zur heimlichen geliebten, zum diskreten callboy, die ehefrau zur geheimgehaltenen busenfreundin, der jugendliche zum verbotenen treffpunkt, schleicht der bruder zum bruder unter ausflüchten und lügen. schaut die aufschneider und maulhelden, wie sie sich gerieren, souveräne idioten, eitle gockel, und kommts draufan, scheissen sie sich in die hosen und zeigen dir die kalte schulter. das verbotene soll locken? welch ein quatsch! was lockt und lust verspricht, wird verboten. es lockt nicht das verbot. idealisierte sexualität, sehnsuchtsvoll erstrebt, gnadenlos verbannt.

wir also: zwilling und ein hirn angeschlossen an den herdenstrom lassen uns kitzeln von witzen über stinkende freiburger arrogante deutsche negroide sexmaniacs die unsre frauen schwängern und nicht anstand und manieren unsrer wertegemeinschaft mit uns teilen wohl aber unsern gewinn schmälern die sozialfonds killen unsre renten kürzen der herdenstrom zuckt in unserm lachen über einen unbeholfenen akzent einen unaussprechlichen namen über die funktion einer schwiegermutter einer blondine der frau schlechthin der herdenstrom teilt uns die energie zu die wir zu investieren haben in unser gelächter unsre betroffenheit unser angepasstes verhalten und nicht nur das: ignorieren wir ihn werden wir abgenabelt ausgegrenzt niedergemacht und ein kind kann man auf mannigfache weise vorführen aussetzen abstrafen mit liebesentzug vertrauensmissbrauch und vernichtendem tadel man stelle sich kühe vor auf einer weide die simmentaler und die freiburger und alle europäischen und aussereuropäischen kühe eine ganze kuhheit zusammengefasst auf einer weide im normalfall kriegen sie den elektroschlag wenn sie an den zaun stossen die freiheit suchen ihren horizont erweitern wollen nun sind wir nicht kühe die sich hüten an den zaun zu stossen, menschen an den zaun gekettet und dauernden impulsen unterworfen ein impuls der einen einzigen erreicht überträgt sich auf alle das gilt für kühe und tausendfüssler deren tausend füsse von impulsen durchzuckt sind wie für die ganze verdammte gesellschaft der impuls trifft uns alle gleich reduziert uns auf ein uniform gepeinigtes fühlendes denkendes glaubendes arbeitendes produzierendes reproduzierendes wesen anstelle unserer seelen lenkt uns dieser impuls macht anständige kinder aus uns erzieht uns zu ehemenschen staatstragenden bürgern die frage stellt sich nach der schaltzentrale und den ausgangsimpulsen wer hat die in der hand wer gibt die vor wer bestimmt die dosierung mittels propaganda indoktrination und ideologie qui bono das ganze das ist noch die einfachste frage und lässt nicht unbedingt auf den urheber schliessen sie beantwortet sich wenn die kontoauszüge vor uns liegen die aktientransfers und die gewinnmargen wer bedient die schaltzentralen sendet die frohen botschaften und in wessen auftrag auf wessen anregung in wessen diensten via satellit kabelfunk internet in die stuben in die hirne in die familienköpfe keimzellen des staats wer sät die saat des staats solche botschaften: macht euch nützlich seid gehorsam arbeitet im betriebe eures meisters erlernt einen beruf übt ihn mit freude aus eure eltern eure lehrer eure chefs gemeinde und staat die euch eine gute ausbildung ermöglichen erwarten von euch dass ihr ihre fürsorge lohnet durch untadeliges verhalten und redliche arbeit traut eurer kraft und lasst euch von defätistischer propaganda nicht entmutigen froher dynamischer sinn und zielbewusster wille führen zum erfolg ehrt euren beruf und macht ihm ehre und euren eltern und eurem staat seid treu und gewissenhaft nicht träge und müssiggängerisch in eurer kleinsten arbeit steckt ein stück menschentum eures menschentums über kummer und enttäuschung hilft euch der segen der arbeit hinweg des abends rast erquickt doppelt nach redlichem tagwerk seid reinlich und ordentlich in kleidung wohnung und sitten mass im essen und trinken! bewahren euch vor krankheit wie der werktag der arbeit so gehört die nacht der ruhe und für kinder besonders: betrachtet des abends vor dem schlafengehn euer tun und treiben und tilgt anderntags was vor eurem gewissen nicht bestehen kann durch rechttun, den sonntag das wochenende aber verwendet für die pflege eures gemüts lernt eure heimat kennen und lieben achtet eines jeden vaterland das eurige aber: liebet liebet liebet die gesundheit beruht auf einfachem leben einem reinen unverdorbenen gemüt auf beständiger nützlicher arbeit und auf der pflege edler gedanken und bildet euch weiter und fort in fachschulen und kursen und in den werkstätten und firmen eurer arbeitgeber findet ihr keine arbeitsstelle so werden euch die öffentlichen arbeitsämter helfen nehmt teil am öffentlichen leben eures volkes erfüllt eure bürgerpflichten damit ihr verdienet bürger eures landes zu heissen so ein herdenstrom solche botschaften solche impulse und andere mehr oh ja wie in einer kettenreaktion sind alle elektrifiziert von verkabelt gleichgeschaltet auf dösstrom aufputschstrom schockterapie jenachdem input und output stimmen demokratisch und wertegemeinschaftlich überein nicht euer glück zählt das wohl der gemeinschaft das wohl der wertegemeinschaft um es nochmals unübertrefflich zu sagen und diese werte heissen da menschenrechte wenn arbeitfüralle die eigne armee zur deckung des sicherheitsbedürfnisses zur wahrung der freiheit, und in freiheit reguliert der freie markt und managt die entwicklung verteilt den segen der zivilisation und das ist euer interesse in eurem interesse diese vorsorge und fürsorge und rechtsstaatlichkeit da könnt ihr euch tummeln im überfluss in der überflussgesellschaft (tönt echt kritisch was?) und schwimmen und austoben dürft und sollt ihr euch da güter in rauhen mengen wohlstand und sicherheit und die schaltzentrale lacht sich ins fäustchen falls dort noch menschen arbeiten und nicht irgenwas die macht übernommen hat was seelenlos und roboterhaft sich einen scheiss um euer wohlergehen kümmert dreht den schalter von plus auf minus dann ist der überfluss nicht mehr überfluss sondern verknappung: arbeit sicherheit boden wasser alle menschlichen und natürlichen quellen und vorräte alles knapp und deshalb entstehen erst die bedürfnisse danach und nach sinnvoller bezahlter arbeit nach sicherheit nach liebe nach sex alles alles knapp alles knapp euer wohlergehen euer vertrauen euer sinn ihr könnt die rechte einfordern nach euren anerkannten grundbedürfnissen und die zentrale münzt sie in eure pflichten um arbeitspflicht bürgerpflicht vetreidigungspflicht reine zwänge sage ich, doch pflichten tönt edler rechte schöner und demokratie am besten die macht schafft also die verknappung was knapp ist wird künstlich hergestellt und teuer verkauft die sicherheit etwa: knappgeworden kann sie von spezialisierten firmen und institutionen produziert und verschachert werden so leben wir also in allen belangen im überflussparadies nach dem andre gesellschaften undemokratisch rückständig unfrei dürsten sagt ihnen es sei kein paradies hierzulande, eine verknappungshölle eine hölle der ausbeutung und der seelischen verelendung ja sagt es ihnen posaunt es in alle welt hinaus wenns geht auch hierzulande seht ihr: verknappung der bezahlten arbeit senkt ihren wert und damit auch euren und eure löhne und euer ansehen dabei könnte alles arbeit sein es wird doch einfach geld benötigt um sich zugang zu verknappten gütern und überflüssigen ersatzgütern zu erkaufen recht auf arbeit ist recht auf zugang zu natürlichen quellen und vorräten arbeit umgibt uns wie die luft zum atmen es gibt kein bedürfnis danach weil alles arbeit ist bei licht betrachtet und also lasst euch kein recht auf arbeit aufschwatzen denn ihr seht im überfluss existiert nur das überflüssige dazu gehören abfall verschmutzung verdummung ihr seid einer schönen scheisse aufgesessen die macht hat euch aufgespalten und in einzelteile zerlegt und euch voneinander abgesondert - männer nur noch männer väter nur noch väter arbeiter nur noch arbeiter sexmaschinen frauen nur noch frauen mütter natur empfängerinnen empfängerInnen objekte minderheiten weil ihr am herdenstrom angeschlossen befehle von der schaltzentrale empfängt, heisst das, kodifizierten text impulse die als bilder in eurem innersten erscheinen wüssten alle darum würde keiner mehr marschieren soweit ist die zentrale schon vorgedrungen es gibt drei dinge derer sie sich bemächtigt unsern körper unsre gedanken unsern glauben darauf zielt das ganze programm ab befehle für den körper angstmache für das denken lüge für den glauben;
wir nun also zwilling und ein hirn reduzieren uns im zuge der ereignisse auf die dualität wir ziehen uns auf den gegensatz zurück und findens wohlbegründet himmel und hölle tag und nacht ying und yang I und o der eine will der andre sein strebt nach ihm verliert sich will wieder sich selber sein stösst sich von ihm ab anziehungs- und abstossungsproblematik es gibt den bösen und den guten den schönen und den hässlichen und ist doch ein fleisch die leute sagen welch braves kind oder schelten frecher bengel sie fühlen sich angezogen oder abgestossen je nachdem für welchen von uns sie uns halten ein mensch mit zwei gesichtern wächst da heran und erst hatte er fünf ein dutzend hundert gesichter wir schmieden in diesen wirrnissen im glühenden feuer das glück leidenschaftlich und immer mehr auch angsterfüllt der eine zögert der andre haut drauf der eine mahnt den andern dieser stösst ihn weg zusammen halten wir uns in schach kontrollieren uns belauern uns so wird bald nichts mehr gehen was irgendeiner noch verantworten kann oder wirklich gar nichts mehr was auch keiner gewollt die macht hält uns gebannt einer verkabelt mit dem herdenstrom der andre denkt sich isoliert preisgegeben vogelfrei ein neurotiker ein nervenbündel ein einsamer geselle wir schmieden jeder unser glück aus einem gemeinsamen ehernen stück formen dran herum kunstvoll und jeder auf seine weise zerstört die arbeit des andern indem ers zur andern seite herumbiegt und dem andern verformt der andre will sein stück wiederhaben reissts dem einen aus den händen ein gezerre streit fast fällt es zu boden eine lebenslange narretei ein affenteater um nichts und wiedernichts eh bringen wirs nicht zusammen uneinig wie wir sind und tauchen das eherne ding in den kühlenden bottich lauteren wassers wo es zischend und dampfend verglüht und verstummt ein toter fisch erstarrt zu einem mahnmal versunkener kultur mit glubschaugen und vorwurfsvoll kündend von einer versunkenen feen- und märchenwelt die sagenumwoben in tausend farben funkelte geheimnissvolle schlösser und hexensabbate und flüge über unermesslich schöne landschaften vereint im geiste unserer liebe farben beginnenden herbstes mattrotleuchtende büsche ins bräunlich verblassende bäume mit grüngesprenkeltem laub seen die zum bade laden und portale die sich öffnen und wir wussten das leben wird eine freude sein wenn wir grossgeworden das waren noch träume nicht schreckbilder von zu tode erstickten kindern die wir nicht retten und von geschwüren die aus allen körperteilen herauswuchern und aufplatzen und spinnen und insekten und scheussliche fratzen mit zerlaufenden augen gebären die höhnisch ihre zähne blecken und uns die haut abziehen von würmern die aus fingern wachsen vogelviechern die in eitrigen schwären nisten und von mongoloiden menschenköpfen so klein wie ein zweifrankenstück die unsre eingeweide aussaufen und wühlen und schmatzen und schlürfen und auf die grösse von tassen und tellern sich heranfüttern da gab es andere dinge positive träume zeichen in der realen welt die uns ermunterten wir konnten noch verliebt sein und schwelgen in der erotik der anziehung es gab den bruder der winkend am fenster stand als wir von zuhause ausbrechen wollten und den kleinen nicht alleinelassen konnten weil er so verstört und traurig wirkte und es gab den invaliden der weinte als wir ihn küssten und liebkosten und es war uns egal dass leute herumstanden und gafften soviel kraft und freude war in uns und nachts feierten wir träumend und wachend feste und mussten niemand totschlagen oder vergewaltigen oder vor häschern flüchten oder uns von hohen häusern stürzen aber existiert hat eine bessere welt eigentlich nicht, nie, es war unser wunsch der sie uns schönfärbte und es ist eine lüge von versunkener kultur zu sprechen die kindheit war nicht besser und nicht das mittelalter von dem wir lange schwärmten aber unsere hoffnung bleibt dass sie die zukunft sein wird wer weiss wenn nicht diesseits es gibt keine zeichen dafür so jenseits und das ist was uns als trost ein wenig stärkt.


 

(romanmanuskript aus ‚kindheit')

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