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schandfleck.ch_archiv/2004/dezember
daniel costantino

die altjahrsgeschichte

von langem verweilen in universen stiebender sterne, fetzen des glücks und afrodisierenden nebels kehrte sein geist im morgengrauen in den alltag zurück. die nachbarn standen auf, husteten, schlurften, rumorten, zogen an der spülung, drehten an hahnen, hier und dort schepperte kastenmusik und scherbelte eine stimme, erste motoren jaulten oder brummten im stand, es schletzten türen und fuhren schon trams und hellte dämmerung auf, sein körper aber wand sich in einer turbine und rang nach atem, etwas röhriges und hyperelektrisches hielt ihn umfangen, er vernahm das stanzen von druckpressen, zeitungen bellten schlagzeilen wie pistolenschüsse, aufgemotzte spalten schlugen ihm entgegen und höhnten seiner unfähigkeit, sich zu wehren, und wie geschaukelt von einem boot trieb er durch schollen und höhlen an menschentrauben vorbei, die sich an wände, an feuchte felsen schmiegten, in pfützen wateten, durch stinkende schächte ans licht kletterten, von ungefähr stak wie ein turm ein termometer vor ihm im boden, und er las seinen kritischen zustand von der knittrigen skala ab, es gibt soviel zu wissen und zu bedenken, dachte es da in seinem kopf, und du hast von nichts je etwas begriffen, nur dass du verderben wirst und wohl auf der stelle, wenn du nicht erwachst, in den tag, ins leben, zur arbeit zurückerwachst, fast starb er so im morgengrauen, roch seinen modernden und verwesenden leichnam schon, fluchende männer hoben ihn aus den laken, nachbarn eilten hinzu und gafften, durch das offene fenster drang jetzt zwitschern, quietschen, erschollen rufe, er fühlte sich lauschend noch am leben und konnte doch keinen muskel rühren, starr, gelähmt, paralysiert, es musste ein alptraum sein, er sträubte sich und rebellierte und schrie, und es gelang ihm, zu erwachen und an den schalter des nachttischlämpchens zu kommen, doch blieb es dunkel im raume, und er merkte, dass er immer noch wie tot im bette lag, angst durchfuhr ihn an diesem punkt, panik vor dem ersticken, endlich aber läutete der alte, rettende wecker, ein wenig vermochte er sich zu regen, doch erschlaffte er schnell wieder, und der wecker schrillte lauter und autoritärer, die dämmerung begann, sich wieder zu verfinstern, eine ganze nacht lag er so da, vom wecker am leben gehalten, was denken die nachbarn, ein wecker, der mitten in der nacht wie eine sirene heult und ein heidenspektakel macht und das ganze quartier gegen sich aufbringt, gegen dich, man wird kommen und dir die wohnung knacken, man wird deinen wecker zerschmettern und deine leiche schelten und forttragen und in den fluss dich schmeissen, doch dann wurde es plötzlich ruhig im zimmer, er dachte und fühlte und fürchtete nun nichts mehr, gar nichts, und dann läutete der wecker.

da stand er auf und ging in die fabrik.

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