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literatur ¦ 2007¦ david manuel kern

Reden
Fünfzehntes Bild

A. Wissen Sie, haben Sie gewusst, dass das Rauchen das einzige ist, das noch Bestand hat? Das einzige, das mir noch Spaß macht?
B. Nein.
A. Denken Sie an diesen Roman von Thomas Mann. Wie heißt er noch gleich? Na, Sie wissen schon, im Sanatorium, auf irgendeinem Berg. Welcher Berg ist das noch gleich?
B. Zauberberg.
A. Nein, Zauberberg, das ist doch kein Berg, nein, nein, anders hieß das. Mir will es partout nicht einfallen.
B. Zauberberg, das ist wonach Sie suchen.
A. Nein, hören Sie doch! Nicht Zauberberg. Zauberberg, das habe ich nie gehört. Nein nein, kennen Sie die Geschichte nicht? Er geht auf eine Kur, obwohl er gar nicht müsste, und dort ist der andere, sein Schwager, war es sein Schwager?, oder sein Neffe, Onkel?, Bruder, nein, sein Bruder war es nicht, ich weiß es nicht, ist ja auch ganz egal, aber irgendetwas mit einem Berg, ach wie heißt nur dieser Berg?
B. Zauberberg.
A. Nein nein nein. Nicht Zauberberg. Zauberberg, was wollen Sie damit? Wollen Sie mich ärgern? Ich kann mich doch noch auf mich verlassen. Wissen Sie, mein Gedächtnis läuft noch prima, selten täusche ich mich. Aber dass dieser Berg mir jetzt nicht einfällt.
B. Mont Blanc?
A. Wollen Sie mich reizen? Wollen Sie, dass ich gehe? Sie können es ruhig sagen, wenn Sie wollen, dass ich gehe. Dann gehe ich einfach. Wollen Sie, dass ich jetzt gehe?
B. Nun...
A. Auf jeden Fall dieser Berg. Dieser Berg. Aber lassen wir das. Ich wollte auch gar nicht auf diesen Berg hinaus, mich interessiert dieser Berg gar nicht. Mont Blanc! Na auf jeden Fall, was wollte ich sagen? Was wollte ich eigentlich sagen? Wieso rede ich jetzt eigentlich über diesen Berg?
B. Rauchen.
A. A ja. Rauchen. Das wollte ich sagen. Thomas Mann sagt einmal, nein, vielmehr, er legt es in den Mund seiner Figur, dass er nur esse, damit er anschließend rauchen könne. Ja, das wars. Und ein Tag ohne Rauchen wäre ein unnützer Tag.
B. Ja?
A. Ja. Und ich stimme dem vollkommen überein. Ein Tag ohne Rauchen ist wie Jazz ohne Kontrabass. Da fehlt doch was. Verstehen Sie?
B. Ja ja.
A. Und was ich noch sagen wollte. Lassen Sie mich nachdenken. Ich wollte noch sagen...
B. Ja was denn?
A. Lassen Sie mich überlegen. Ja. Stellen Sie sich ein Kaffeehaus, eins wie dieses, ohne Rauchen vor.
B. Ich rauche nicht.
A. Was für einen Sinn hätte dieses Kaffeehaus dann? Warum sollte man dann hierherkommen? Verstehen Sie? Und jetzt fangen sie an, uns das Rauchen zu verbieten.
B. Ihnen, mein lieber Herr, Ihnen.
A. Ja mir, natürlich, und meinen Rauchgenossen. Das ist doch absurd. In einem Kaffeehaus das Rauchen zu verbieten. Wo kommen wir denn da hin? Da kann ich doch meinen Kaffee auch zuhause trinken.
B. Sie können auch zuhause rauchen.
A. Nein, zuhause rauche ich nicht. Wissen Sie, der Geruch, das geht dann nicht mehr weg, nein nein, zuhause rauche ich nicht. Jahre schon nicht. Nein. Dieser kalte Rauch, wissen Sie, da ekelt mir, nein, das will ich nicht.
B. Mein lieber Herr. Was soll ich dazu sagen?
A. Nichts. Sie verstehen das nicht. Sie sind kein Raucher, wenn ich nicht irre. Essen Sie lieber weiter ihren Topfenstrudel, der Ihnen übrigens zuckermäßig ganz schlecht bekommt, ja, mein Lieber, über das sollten Sie mal nachdenken. Aber jeder wie er will.
B. Danke für Ihre Sorge.
A. Ich appelliere an die Toleranz! Lassen wir jeden das tun, was er für richtig hält, ja, was ihn glücklich macht. Denn um das geht es doch im Leben, wie?
B. Möchten Sie auch ein Stück Strudel?
A. Gerne.
A nimmt eine Gabel Strudel zu sich, mit vollem Mund:
A. Was sagen Sie eigentlich zu diesen Leuten auf der Straße? Die Protestanten. Nein, ich meine die Demonstranten. Das Aufdiestraßegehen, ich weiß nicht. Das ist doch zuviel des Guten. Solidarität hin oder her, irgendwann muss mal Schluss sein.

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