literatur ¦ 2004¦ daniel costantino | ||
gleichnis
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einer schnappt sich,
was er kriegen kann, verschlingt, was er notwendig braucht, und vergräbt,
was übrigbleibt, in einem loch, es ist ein brauch von alters her;
seine väter haben tiere gerissen, ihr revier markiert und es mit
fauchen und brüllen verteidigt; er nun, zahm geworden, reisst kein
fleisch, wirbt um zuspruch, bettelt um almosen und schnappt sich, was
so abfällt, und legt es zur seite, stück für stück,
alles in sein loch und legt sich auf die lauer davor; kommt die gelegenheit,
gibt er es her um ein haus, streift sein fell ab und freit um ein weib
und zeugt kinder, und alle wohnen sie in dem haus, unbewohnt nur ein zimmer,
wo er das fell seiner väter ausgebreitet auf einem tisch liegen hat;
dem jüngsten, wenn essenszeit ist und die familie in der küche
versammelt sitzt, stellt die mutter wortlos eine schüssel mit futter
bereit und einen schlüssel, das kind behändigt zaudernd beides,
geht aus der küche, schliesst den raum auf und legt die schüssel
aufs fell und reibt es ein mit dem futter; das fell, mit den jahren, belebt
sich und wächst zu einer puppe, ähnelt dem kind; die puppe erhebt
sich, umschlingt eines tages das kind, nimmt sich die nackte haut und
gibt ihr fell; vollständig nun wie das kind in sprache, gang und
gebärde, legt sie es auf den tisch, schliesst die tür, tritt
in die küche und sitzt an den mittagstisch und lauscht wie die andern
dem vater, der nun das tischgebet spricht. |
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