news ¦ archiv ¦ forum ¦ kontakt ¦ literatur ¦ shop ¦ links
literatur ¦ 2004¦ daniel costantino
gleichnis

einer schnappt sich, was er kriegen kann, verschlingt, was er notwendig braucht, und vergräbt, was übrigbleibt, in einem loch, es ist ein brauch von alters her; seine väter haben tiere gerissen, ihr revier markiert und es mit fauchen und brüllen verteidigt; er nun, zahm geworden, reisst kein fleisch, wirbt um zuspruch, bettelt um almosen und schnappt sich, was so abfällt, und legt es zur seite, stück für stück, alles in sein loch und legt sich auf die lauer davor; kommt die gelegenheit, gibt er es her um ein haus, streift sein fell ab und freit um ein weib und zeugt kinder, und alle wohnen sie in dem haus, unbewohnt nur ein zimmer, wo er das fell seiner väter ausgebreitet auf einem tisch liegen hat; dem jüngsten, wenn essenszeit ist und die familie in der küche versammelt sitzt, stellt die mutter wortlos eine schüssel mit futter bereit und einen schlüssel, das kind behändigt zaudernd beides, geht aus der küche, schliesst den raum auf und legt die schüssel aufs fell und reibt es ein mit dem futter; das fell, mit den jahren, belebt sich und wächst zu einer puppe, ähnelt dem kind; die puppe erhebt sich, umschlingt eines tages das kind, nimmt sich die nackte haut und gibt ihr fell; vollständig nun wie das kind in sprache, gang und gebärde, legt sie es auf den tisch, schliesst die tür, tritt in die küche und sitzt an den mittagstisch und lauscht wie die andern dem vater, der nun das tischgebet spricht.
bald aber ist krieg; die geschwister werden eingezogen, das jüngste bleibt als letztes am tisch; soldaten kommen und nehmen das haus, erschiessen den vater, erschlagen die mutter, finden das balg unter dem tische, wo es faucht und zischt; zerren es hervor, schänden es einer nach dem andern, werfen es weg, holen es wieder, werfen es weg; schlagen im zimmer ihr hauptquartier auf, das fell ist ihnen landkarte, der unterleib feindesland, die brust heimat, die glieder flussläufe und meeresarme, der kopf die zentrale; atmet es, stecken sie mit nadeln und knöpfen strategische ziele ab; zappelt es, blasen sie ins horn zur schlacht; hebt es den kopf, stehen sie in reih und glied; weint es, feiern sie ein saufgelage, krepiert es, scharren sie es in die erde, schlagen ein kreuz drauf, rächen sich am balg und schwängern es; und schneller als der krieg zu ende geht, gebiert es ein kind, sie nennen es liebe, spiessen es auf an spitzer lanze, wo es leuchtet wie ein mond am laternenpfahl; reissen das balg entzwei, dem ein zweites den lenden entweicht, ein barbarischer kegel, kaum entschlüpft, ein koloss, kaum geatmet, ein ungeheuer, verschlingt alle mit haut und haar, zuletzt den falben mond; vollgefressen sitzt er turmbreit über den trümmern des krieges, der ein langer war, über den feldern verwesten gebeins, eitrigen taus, giftigen dunsts, spielt panzerwalzer-leichenrot, blutende wolken tanzen mit schäumenden meeren, die welt bricht durch ein letztes gewitter, entfärbte blitze ersticken in tränen öligen kots.

news ¦ archiv ¦ forum ¦ kontakt ¦ literatur ¦ shop ¦ links
nach oben >>>