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literatur ¦ 2002¦ daniel costantino
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der roggen arbeitet von selbst bis zu einem gewissen stadium dann wird er in die fabrik geliefert die fahrer bringen ihn sie haben eine lange reise hinter sich sie fahren den weg täglich zweimal einmal hin einmal her ihre welt ist die autobahn der endlos sich hinziehende asfalt die blechkarawanen und die in windeseile vorbeisausenden mittelstreifen am boden der rückspiegel und die chauffeurskabine der manchmal schlingernde anhänger das flattern an der karosserie am dach oder am seitenfenster montierter wimpel und das zappen der plachen eine flora wilder grasbüschel und rankender dornen zwischen den mittelplanken der fahrbahnen ein paar verwitterte büsche kleine sträucher oder ballen gestrüpps trockene bei regen nur leicht feuchte lehmige erde da und dort ein halber morscher ast eine unglückliche fauna plattgewalzter igel oder zersauster vögel oder ein stück reh ein unvorsichtiger fuchs oder ein toter hund entlang der pannenstreifen die zusammen mit geplatzten gummireifen zerbrochenen stöckelschuhen und verstreuten glassplittern die wege säumen manchmal zur abwechslung ein paar lichte büsche oder niederer tann jenseits der piste die sie einmal hin einmal her zweimal täglich befahren in einer paradoxen haltung aus langeweile und jäh erregter aufmerksamkeit gedankenverhangen entspannt und doch wie tiger auf dem sprung erinnerungen und sorgen hingegeben die um liebschaften kreisen um ärger oder belobigungen in der firma oder um freuden und pflichten der erziehung ihres nachwuchses und wenn es nicht dies ist freuen sie sich auf ein kräftiges bier eine jassrunde nach feierabend oder ein wochenende mit irgendeiner flüchtigen vergnügung einmal hin einmal her nie kommt ein wesentlicher unterschied wochenlang jahrelang bei brütender hitze peitschendem oder prasselndem oder nieselndem regen bei hagel und winden und schnee ihres arbeiterlebens das daraus besteht diese trostlosen strecken zu fahren diese endlos erscheinenden asfaltwüsten mit hunderten von kilometern nichts wie gradeaus und einer eintönig vorbeifliehenden kulisse von industriekäffern und viadukten ineinanderverrenkten und übereinandergestaffelten kreuzungen anderer ebenso monotoner autobahnen wie die ihre mit ortsschildern und tempoangaben und radiofrequenzen einmal hin und wieder her nie kommt ein unterschied aber sie sind die kolosse der nationalstrassen und autobahnen die giganten des strassenverkehrs die lulatsche der beton- und asfaltpisten und sie geniessen hohen respekt wenn sie klappernd und röhrend einhertuckern unbeirrbaren lokomotiven gleich wenn sie rattern und schnauben wie des teufels tausendfach geklonte grossmutter und zischend und strätzend hohe fontänen spotzen im regen im schneematsch der aufgeweichten strassen und routen wie wütende wale die ein meeresgott entfesselt sie sind die könige des verkehrsdschungels die majestäten eines unbegrenzten reiches die löwen der zapfsäulen sie saufen hundert fässer in dionysischem durst die lieblinge der raststätten die mit kolossalem appetit ganze küchen leerfressen und die vorratsspeicher verzehren und den mürrischen alten kantinenweibern ein kumpelhaftes zwinkern entlocken ein faltiges lächeln ein freudiges klatschen sie unterhalten an jedem kiosk entlang ihres weges ein techtelmechtel mit jungen töchtern oder eine kleine liebesaffäre mit charmanten frauen sie erzählen und vernehmen die neusten witze und lachen darüber wie krächzende raben chächächächächäch sie werden gehasst wie die pest wenn sie in einer wolke von stinkenden auspuffgasen bergaufwärts einen mammut ihres kalibers überholen langsam und zentimeterweise wie eine schnecke eine andre und den ganzen verkehr blockieren die schnittigen stutzer und nervösen laffen die geschäftigen vertreter und die zuspätkommenden bürolisten und die gestressten sonntagsfahrer und familienbenedikte sie halten zu allen zeiten und trotz täglichen verkehrsinfarkten die ganze versorgung des landes europas mit nahrung und futter intakt mit getränken und gütern mit medikamenten und waren und baumaterialien kein haus stünde da ohne sie kein markt und keine brücke und keine stadt die regionen und landschaften die dörfer und die metropolen hängen an ihnen wie kälber an den zitzen ihrer mütter und wie treubesorgte glucken nähren und füttern und transportieren und schleppen und bringen und holen sie ungeachtet des um sie herrschenden chaos der baustellen und unfälle und staus der stosszeiten und umwege und strassensperren wie heldenhafte kriegskuriere ohne sie wäre längst die versorgung zusammengebrochen und die insgesamte industrie und kein staat mehr zu machen sie gleichen schlaftrunkenen elefanten wenn sie tagelang dahinfahren brummig und übernächtigt und das kleinste fehlmanöver der geringste fehltritt jeder moment der konzentrationslosigkeit eine übermütige herde kleiner jungtiere in ihrem schlepptau zerdrückt zerstampft zerreibt dabei scheuen sie keine konfrontation es soll keinem etwa einfallen sie zu reizen man weicht ihnen aus winkt ihnen vortritt wagt nicht zu hupen und zu husten wenn sie unvermittelt ausscheren oder wie gammelnde flegel eine kreuzung blockieren sie gehorchen fluchend und widerborstig und nur zur not der polizei trifft man sie zu fusss beim aufladen ihrer ware beim verlassen eines pissoirs hält man ebenso gebührend abstand starke muskulöse männer mit wilden bärten und blicken gross und bärbeissig in verschmutzten hosen und geflickten jacken meist einsilbige kerle zärtlich zu kindern aber aufbrausend wie wüteriche wenn ihnen etwas nicht passt eine mahnung eine arrogante visage sie hämmern sich love you in ihre schädel auf ihrer langen fahrt wenn sie merken dass sie schläfrig sind und einzunicken drohen wenn sie aber fit sind und mit der welt zufrieden schwelgen sie in nostalgischen klängen in bodenständigen polkas und schottischen lüpfern und heimatlichen gefilden oder in melancholischen heimwehschnulzen schifferklavieren und matrosenliedern von fernen geliebten und stürmischer see und sinkenden schiffen sie sind die lotsen des fortschritts wo sie hingelangen hält er einzug die steuerleute des wohlstands die kapitäne der globalisierung weit mehr als die orientierungslosen politiker und haarsträubenden gesetzesarchitekten die papageiischen krächzer und demagogischen halunken und werden sie wieder müde drehen sie aufs andre programm dann stieben die lärmwellen grollt der äterdonner und peitscht wie kraftgas panik in ihre nerven als wäre ein wüster voodoozauber entbrannt als bräche eine gerölllawine in ihre kabine ein wildheulender indianerstamm ausser rand und band und in bombastischer kriegsbemalung und zelebrierte eine ohrenzerfetzende geistervertreibung ein archaisches kultisches tohuwabohu ohnegleichen das mit einem schlage erstirbt und den nachrichten das feld räumt kühlen meldungen aus einer irrationalen welt kauf und lauf paranoider politik ihren präsidenten und aufsichtsräten ihren bilanzen und opfern ihren feiern und manifesten und am schluss den informationen über das klima ausserhalb der autoscheiben die temperaturen haben sich global erhitzt infolge der bodenerwärmung und der treibhauseffekte und der heissen rytmen aus stereoanlagen und lärmungetümen die in die kabinen knallen und aus anhängern donnern durch die westlichen haushalte schletzen und die siedlungen der halben welt aus ihren discoteken bersten aus spelunken dröhnen und kellern und läden gellen in dörfern und städten und metropolen schlimmer als stürme toben strände verseuchen und küsten und promenanden ruinieren und das gesellschaftliche leben und von deren bestialischen gesängen und schimpfgeschmetter und teufelstiraden kein zivilisierter mensch ein wort versteht und gewiss der homo sapiens noch das zeitliche seiner epoche segnet windelweichgeklopft taubgeknallt und zu dreck erschlagen so dass es schon heute als ein wunder erscheint dass wir noch des hörens und verstehens unserer eigenen sprache stimme und sinne mächtig und unter dem hagel und ulanengebrüll werden noch die fundamente der städte erbeben und die dächer und kuppeln davonfliegen und die häuser krachen und kippen und die wolkenkratzer und die türme und die katedralen versinken eines nicht fernen tages und stürzt der himmel über uns zusammen und schmelzen die gletscher und wird uns kein malader wald kein marodes gehölz vor der flut mehr schützen die von den erhitzten und dampfenden meeren her uns verschlingt und vor dem wüten der stürme und den aufgebrachten wettern kein von violettem ozon klaffendes loch das von blitzenden lichtern des erdengesauses rytmisch durchzuckt und von grellen kegeln und flutschwaden von nebeln love you täglich kann die börse crashen die erde beben der krieg ausbrechen die welt zusammenkrachen wir bleiben am ball love you täglich werden kinder missbraucht frauen verschleppt menschen gefoltert tiere geschlachtet urwälder entholzt wir bleiben am ball love you täglich wird hungers gestorben an seuchen und schlachten krepiert und an geschwüren verreckt wir bleiben am ball love you die weltwirtschaftsgipfel die krisenkonferenzen die klimakonventionen die genfood- und gentechkatastrofen die menschenrechtsdebatten wir bleiben am ball love you die atomgefahren die blocksysteme die rüstungsspiralen die revolutions- und religionsfanatiker die terrorbanden wir bleiben am ball sauber am ball love you die endmüllrisiken die internetviren die mafiastrukturen die überschwemmungskatastrofen love you love you hi ha ho! und jetzt wieder overcrash overkill hypermegakill syntesausermalen mit fleisch am knochen bass in den felgen fones in den gliedern gitarrren klirren wie platzende scheiben stimmen scherbeln und zerbrechen wie rostige rohre meuten pfeifen und johlen orgeln hämmern schweiss aus den poren aus den fettpolstern unter den augen schreckgeweitet wie unter drogen unter dope unter zyankali schellen am arsch rabauken im ohr klavier im gerippe schlagzeuge pauken krämpfe durch die malträtierten seelenkörper pfeiforgasmen dass die zähne wackeln claqueure stampfen wie räudige stiere und schlagen wie rösser beim rodeo brüllend vor zorn ein irrer amok eine eskapade des paranoiden wahnsinns herzschläge wie knatternde gewitter wie salven aus tausend maschinenpistolen radio yeot wer kann sich der welle entziehen yeot der aktuellste widerhall eines durch den kosmos schiefernden urknalls des zersplitternden urfluchs gottes radio yeot wir galoppieren immer am puls der zeit yeot yeot yeot yeot hi yeot ha yeot ho! ätertäter! salvenknaller! völkerschinder! radio yeot yeot yeot! katastrofenkläffer! meutentölpel! hordenpeitscher! ob ihr alt oder jung grün oder blau blank oder krank immer am puls der zeit! ob ihr zuhause seid für die lieben kocht im geschäft die zügel hält unterwegs die lasten schleppt wir wiehern immer am puls eurer zeit! love you love you! und wie ein wüstensturm kratzig der nächste sound und wie eine orkanböe die reklamefanfare eine frenetische jubelkomposition jaulender hunde ausgerasteter motoren wirbliger knallfrösche und ohrenspaltender clusterattentate „prima marmellata halleluja suppenkasper happy zigaretten - dreimal kurz gehustet - büchsenfisch und wc-clear kosmetik dragées und hochzeitsbinden und milchfutter mit integrierter nachwuchsregulation möbel fritteusen horoskope mit liebe im tief verlusten im hoch und venus am arsch“ das war die werbung yeot love you yeot sträubt euch das fell lenkt euch das rad bringt euch ins grab und nun ins zeug gelegt ins ruder geworfen stemmt euch in die gaspedale und die idoten rasen mit eingeklappten ohren knattern ohne rücksicht auf verluste wuchten in die kurven treten auf die pedale hebeln und knebeln an schaltern und brettern drücken die raketenknöpfe fussdrauf brustdrauf daumendrauf und die raketen fauchen zischen und düsen mordend durch die landkarten des pentagons brandschatzend über die landstriche meere und kontinente einer gefolterten erde verheerend durch die wolken und lüfte zerbersten aneinander krachen explodieren fallen zur erde tausendfach einer ultimativen sintflut gleich reissen ozonlöcher auf und wälder zuschanden zertrümmern die metropolen fegen dörfer und wüsten und weiden hinweg sprengen und zerbröseln die gebirgsketten lösen das eis von den polen und spalten den schwankenden strauchelnden ball love you yeot und wieder die werbefanfare die gotteslästerlichen cluster wieder die kläffenden knallköpfe und minendurchsetzten akkordpetarden die hysterischen wetterfrösche rammlig und stimmbrüchig wie nach whiskeydurchzechten nächten und wieder der triumf des freien marktes aasbestücktes hundefutter genmanipuliertes kinderspielzeug und meteoritengeschwängerte filterzigaretten der erfolg banausenhafter sprücheklopfer ausrangierter möchtegerne und stümpernder freizeitakustiker der sieg der hochgezüchteten dummheit über die noch debilere zivilisation der einzug der vandalen und kulturschimpansen laborgezüchtete ausgeburten und gnome und atomresistente menschenfresser ihr triumfgeheul kennt keine schranken mehr und kein pardon durch alle kanäle geräte und antennen steckdosen durch telefonmasten und sendetürme durch leitplanken buskabel und stützpfeiler strömts in alle schädel jede zelle und jedes hirn untergangsfunk hochspannungshetze wirbeldummgase gemischt mit dem salbenöl schleimiger wichte und motorenbässen und äterwellentrebles der roggen dürr und dorr zerdeppert kontaminiert von vibirierenden elektromagnetischen bläschen und bällen der anhänger schlenkert wie ein besoffener faun airbags knistern blaffen und schlottern kindersitze spritzen genmäuse aus ihren adern love you love you auf blutschwarzem asfalt zerfliessen atomisierte müllsäcke und aufgelöster hundekot und die schwarten verendeter tiere und wie eiterbäche die innereien zersetzter fussgänger und kinder die von den häusern stürzenden antennen die kabel der busse die morschen drähte der masten erlöschen wie zischende fackeln darin radfahrer fallen aus den sätteln und werden wie die flüchtenden passanten von berstenden und polternden kaminen erschlagen überall zermalmtes gehirn abgetrennte gliederstümpfe und qualmender dung die leitplanken funken und stieben die viadukte tanzen die fahrbahnen rutschen und schlittern love you die hochspannungsmasten und stromkabel fangen feuer die autoabahnen heben sich aus ihren fundamenten und beginnen zu gleiten wie überdimensionale rolltreppen die fahrer verlieren das steuer love you stampfen auf in elektrischen spasmen fallen in die pedale die böden brechen ein die beine und arme geraten an die felgen zerschleissen sich an sengenden pneus den wagen entströmen farbig-neblige schwaden aufgepeitsche hausfrauen love you krepieren wie von überdosen aufgepeppter amfetamine in den küchen schwimmen blasse babies in blutbächen von tränen und sickern wie wassertropfen durch die spalten der wände und mauern und verschwinden die windschutzscheiben zerbröseln im anflug der sturzwellen aus den radiokästen radio yeot ist schwer gut drauf die sonne zaudert zittert und kippt aus dem firmament ihre strahlen und gase prallen ungefiltert und krebserregend wie hitzschläge auf die atmosfäre die sie spielend zerbrechen und mengen sich mit dem smog aus abgasen chemieausstössen und stinkender leichname und zerschossener atomkraftwerke der letzte himmel love you steht in grünlich gelben flammen bröckelt wie ein puzzle und knittert herunter zur erde raketen zischen noch immer und sausen und fudeln und antiraketen und doppelraketen und antidoppelraketen und antidoppelnullraketen bleiben prioritär rauben vortritt prallen auf die sattelschlepper die letzten ihrer art einfach auf dem gaspedal bleiben auf den felgen auf dem gummi kein risiko scheuen alles zu rammen niederzuwalzen in die luft zu jagen alles zur hölle zu schicken sich selbst und den erdball eingeschlossen so ein sound so ein gewieher so eine ätzende party love you yeot vollfett und wird der roggen madig wird der kasten grantig fahren wir nachhaus der mais gärt der roggen keimt die rollautobahn quillt auf die fahrer gehetzt wie gesprungen entsetzt wie erschüttert gezüchtet wie getrieben landen und alles zusammen in der fabrik
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