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schandfleck.ch_archiv/2003/september

daniel costantino
offener brief an bischof koch
bern, 28. september 2003

chapeau, herr bischof

ich muss sagen, ich bewundere sie: da gehören sie, nachfolger der hl. apostel aufgrund göttlicher einsetzung, nun seit ein paar jahren schon zur hohen geistlichkeit ihrer hl. kirche, der einzig wahren und unasancta, tragen die fülle des weihesakraments auf ihren hirtenschultern, die würde eines (modernen) hohepriesters, sind hoch aufgestiegen in der hl. hackordnung, wenn ich das etwas salopp sagen darf.
ich weiss, sie schätzen saloppe ausdrücke nicht sonderlich, wie ich neulich in der sonntagszeitung (21. september) bemerkt habe, jedenfalls finden sie den ausdruck superstar eigentlich unangebracht in bezug auf den hl. vater, was ich gut verstehen kann - irgendwie fehlt diesem ausdruck die würde, das majestätische, göttliche, nicht wahr. aber sie geben sich tolerant, gewiss ein vorzug ihrer kirche ganz allgemein, und sie sagen ja selber, der glaube sei am verdunsten, heutzutage, folge einer relativistischen grundhaltung, beliebigkeitskultur, alle konfessionen gleichermassen gültig, eine finstere zeit, leider, ich kann sie verstehen, herr bischof - da werden sie die güte haben, mir den ausdruck hackordnung zu verzeihen, er entspringt meinem junggebliebenen geiste, und wenn ich von jung spreche, dann rede ich von der zukunft, von der jugend, nicht wahr.
machen sie sich ruhig etwas weniger sorgen, apropos ungläubiger jugend und kirche ohne zukunft, die werden schon noch alle zu kreuze kriechen, wenn sie alt und krank sind, ich baue gewiss darauf. und dieser skeptizismus grossen institutionen gegenüber, das analysieren sie goldrichtig, da gehen die guten alten werte verschütt, ein jammer, gewiss, aber das ist immer schon so gewesen und hat die katolische kirche noch jedesmal überlebt. ich weiss, sie müssen sich zurückhaltung auferlegen, die streitsüchtige presse, die religions- und gewissensfreiheit eines weltlichen staates, blutbeflecktes produkt der aufklärung, aber ich darf es unbeschadet sagen, ein freier bürger unseres christlichen landes, von keinem amt belastet: was sich heutzutage alles als sprachrohr gottes anzupreisen erfrecht, weltuntergänge profezeit, wunderheilungen verspricht - ketzer, scharlatane, gotteslästerer, verflucht sollen sie sein! und auf der andern seite: nihilisten, pazifisten, materialisten, streben nur nach ansehen und reichtum, richten die welt geistig und spirituell zugrunde; dreimal verflucht!

und da vor allem bewundere ich sie für den mut und die kraft und die herrlichkeit trotz allen widerständen, allem spott, sich einer ungläubigen, überzogen toleranten oder irrgläubigen gesellschaft entgegenzustellen, mit tief empfundener überzeugung, liebe zum nächsten, zum feinde. fast hätte ich gesagt: mit einer guten portion fanatismus, wenn das wort seit dem 11. september nicht einen schlechten beigeschmack hätte - islamische terroristen, das schreckliche ziel des islams, vollisalmische staaten zu errichten, herr bischof, länder des friedens, wie sie uns warnen, mit recht warnen. da können wir nicht vorsichtig genug sein, skeptisch, misstrauisch, ganz recht. am ende schlachten uns diese staaten noch ab wie weiland die christlichen europäer die indianer, die inquisitoren die ketzer, das christliche abendland schon seit je und der katolische hitler im besonderen die juden.
gut, dass es das katolische christentum noch gibt, den ungebeugten missionarischen eifer seiner ordensleute, den immer wieder nachdrücklich betonten anspruch des papstes auf ein vereintes europa unter christlicher flagge, die weltherrschaft der gerechten sache zu gott, um es auf den punkt zu bringen.

der papst! welch ein friedensfürst! antikommunistisch bis ins mark, sein engagement für den frieden weltweit, seine klare position gegen sinnlose und ungerechte kriege!
natürlich nicht gegen gerechte kriege, das versteht sich, auch atombomben können ein werk der liebe sein, das hat der vatikan ja schon in den 50iger und 60iger jahren eindringlich festgestellt. ein würdiger nachfolger auf dem stuhle petri, der greise karol, unbestritten, ein experte geradezu der menschlichkeit, weit davon entfernt, auf pazifistische weise einen faulen frieden zu verfechten, erhebt das opus dei zu einer personalprälatur, macht den armen hoffnung auf bessere tage, führt öfter als jeder andere die worte freiheit im munde, menschenrechte, menschenwürde, und spricht eindringlich davon, der mensch und gläubige müsse seine sexuellen triebe unterdrücken, überwinden, besiegen - ein prediger in der wüste, weissgott!
gott vergelts ihm!

da hätte ich gleich eine frage an sie, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber: gesetzt den fall, er wäre nächstes jahr schon tot, der alte, kranke, hl. mann - würde dann der neue papst in die schweiz kommen, abgemacht ist abgemacht quasi, oder müssten wir dann wieder lange warten? ich hoffe doch sehr, und meine hoffnung hat viel geduld, nicht so lange wie wir armen schafe aufs weltende, das von jesus als kurz bevorstehend gepredigt wurde.

ein weiteres beschäftigt mich: sie äussern sich in besagtem interview entschieden gegen die invitrofertilisation, und sie stellen, mit einer gewissen entrüstung, wie ich herausgelesen zu haben vermeine, fest, dass der ursprung dieser entwicklung in der sexualität ohne zeugung liege. das müsste doch der katolischen kirche recht eigentlich gefallen, denkt mein gewiss kleiner und unbedeutender geist, gerade dem papst, der ja so eindringlich und glaubwürdig die sexualität geisselt und dagegen die keuschheit lobt und preist.
die ihre, zum beispiel, herr bischof - das ist doch eine hohe gabe, ein geschenk gottes, diese berufung zur keuschheit, nicht wahr? nun wäre die künstliche befruchtung doch eine famose sache, die unbefleckte zeugung quasi! denn sonst: ihre kirche, die sich dermassen vehement für das leben engagiert, gegen die abtreibung, die pille, die kondome, unnatürliche und unfruchtbare homosexualität, gegen ungerechte kriege, sie persönlich erschrecken gar darüber, dass es neuerdings menschen gibt, die ihr leben geben, um andere in den tod zu reissen, was unter keinen umständen weder von den kreuzzüglern noch den inquisitoren noch den judenschlächtern gesagt werden kann, denen die kirche ja stets hofiert, weil die katolischen krieger ja nie den feind abmurksen, den menschen an sich, sondern das böse vertreiben, vernichten, ausrotten mit stumpf und stiel und für das gute auf der welt streiten und blut vergiessen: ich meine, im lichte der vernunft betrachtet - läuft denn keuschheit nicht auf mord am ungezeugten leben hinaus?

ich gestehe, ich bin mitten im interview plötzlich erschrocken: ein bischof, der sich pessimistisch äussert zur zukunft des glaubens, fast resigniert, fatalistisch nach jahrelangem einsatz für die gute sache - das hat mir schon zu denken gegeben, fast das herz gebrochen, wissen sie, das habe ich ihnen geglaubt aufs wort, dass sie förmlich spüren, wie der glaube verdunstet, und ich halte mich für sehr sensibel diesbezüglich, also zum beispiel uriella könnte mir da nicht kommen oder ihr gatte mit seinen billigen taschenspielertricks. doch der schluss des gesprächs hat mich mit der heutigen, sündigen und miserablen welt doch auch wieder ein wenig versöhnt: sie erlebten heute, so ihr schlusswort, viele junge als menschen, die nach neuen gewissheiten suchen. und da hab ich mir gedacht, da sie dann doch wieder der ansicht sind, die grosse krise sei bei den jungen schon überstanden, da hab ich mir gedacht, dass sie trotz allem und gottseidank die kraft noch besitzen, den jungen die neuen gewissheiten auch eindringlich zu predigen und die zukunft der menschheit auf den rechten weg zu bringen, ganz abgesehen, dass die gewissheiten der katolischen kirche nicht neu sein können, weil ja die bibel nun mal vor über zweitausend jahren geschrieben wurde und das echte, unverfälschte wort gottes offenbart; aber das weiss ein zweifelnder, ungläubiger ja nicht, es muss ihm neu erscheinen, wieder in neuem glanze, verjüngt, in der neuen sprache der zeit eben.

und das ist nun das edelste, was wir als menschen tun können, den alten geist des alten gottes wieder neu aufleben zu lassen, sie werden mir gewiss recht geben. ich vermag dies kaum zu leisten, da mir keine göttlichen sakramente geschenkt wurden, aber sie, herr bischof, sie können das, gnade der kraft des hl. geistes und ihres hl. amtes, und auch dafür danke ich ihnen und preise und bewundere ich sie.


ich liege im staub vor ihnen

daniel costantino
verirrtes schaf

www.schandfleck.ch

original an bischof koch, kopie an sonntagszeitung.

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