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schandfleck.ch_archiv/2002/nr.3
daniel costantino
christentum versus buddismus oder: wieso ein buddist nicht zivildienst leisten darf
"die korruption des geistes ist das ergebnis eines zusammenspiels zwischen den existentiellen ängsten und der bequemlichkeit des menschen einerseits und den einflüsterungen der heilsversprecher andererseits" theo logisch

es wird immer wieder der versuch unternommen, die gewissensprüfung, also das zulassungsverfahren zum zivildienst, als eine faire sache, das gewissen als ein objektiv erfass- und erforschbares gebilde darzustellen, um davon abzulenken, dass es sich bei der ganzen helvetischen gewissensprüferei um ein reines quotenverfahren, eine numerusclausus-angelegenheit, eine hinter verschlossenen türen abgekartete sache handelt, wie so manches in der real existierenden demokratie. auch vor polemik und lüge wird nicht zurückgeschreckt, wie in dieser zeitung schon demonstriert. zum guten glück für die "zentralstelle zivildienst" müssen positive entscheide dem gesuchsteller nicht begründet werden - man würde freilich auch dies zustandebringen, wie die jahrzehnte-, jahrhundertelange militärgerichtspraxis beweist. hier indes, bei der zentralstellenamtlichen gesinnungsschnüfflerei, gehts lockerer zu, bei rund dreiviertel annahmen der gesuche in erster instanz. weil man die leute schliesslich will und braucht! hat man hingegen einen aus der schar der antragsteller herausgepickt, der einem aus irgendeinem grunde nicht passt, steht das repertoire, ihn abzulehnen, parat, ein sammelsurium hohler floskeln, abgedroschener frasen, frecher unterstellungen und verleumdungen, staatlicherseits, christlicherseits, wie eh und je. wen will man rausschmeissen? die ungehorsamen, die gemerkt haben, dass militär und kriege nie mit hehren vaterlandsidealen zu tun hatten und haben, sondern mit machtspielchen und terror einflussreicher, kapitalistisch-industrieller und kirchlicher kreise, und die sich das auch zu sagen getrauen; die filosofen, die von freiheit schreiben in ihrem gesuch, worum es in dieser zivilisation in keinen fünf minuten der geschichte noch gegangen ist; die esoteriker und andersgläubigen, denn damit würde man ja gar die konkurrenz der etablierten landeskirchen belohnen, die, mächtig, unermesslich reich und erst noch subventioniert von den steuerzahlern, den grossen teil des bildungs-, pflege- und sozialwesens, auch des militärwesens, inspirieren und abdecken - auch hier subventioniert.
nun hat man da in carlo wieder mal ein opfer gefunden. carlo gibt sich als buddist zu erkennen, schreibt, dass sich sein gottesbild von dem seiner eltern entfernt habe - kirchgänger der vater, eher esoterisch veranlagt die mutter. "nach meinem glauben ist gott nicht eine person, sondern eine energie, aus der alles, auch wir menschen, bestehen. somit ist jeder mensch, jedes tier und jede pflanze göttlich und muss geachtet werden... das vorläufige ziel des buddistischen weges ist die erleuchtung, der zustand, in dem man fähig ist, in allem gott zu sehen und somit für alles und jeden liebe zu empfinden... mein ideal des gewaltfreien lebens kann nicht auf ein bestimmtes schlüsselerlebnis zurückgeführt werden. die endgültige hinwendung zur gewaltfreien denkweise erfolgte sicherlich in meiner pubertät durch die hinwendung zu meinem buddistisch geprägten glauben und gründet in der erkenntnis, dass eine einteilung der menschen in gut und böse nicht möglich ist, sondern dass alle menschen göttlichen ursprungs sind."
ein hartes wort für christen, egal welcher provenienz, die an den teufel, an das paradies und an die hölle zu glauben haben. (eine hölle, der gegenüber sich hitlers kazetts noch vergleichsweise human ausnehmen.) sprechen nicht selbst die helvetischen vbs-experten vom bösen, das es zu bekämpfen gelte, kriegerisch natürlich, schnüffelstaatlich, gewaltsam. und wird nicht gerade das gewissen von eltern, lehrern und bischöfen mit drohendem unterton als die innere stimme definiert, die vor dem bösen warnt, das schon darin liege, nicht zu gehorchen, nicht dankbar zu sein, unkeusch zu leben? und hat dieser irrationale gespensterglaube an das böse nicht millionen erniedrigt, diskriminiert, krank und falsch gemacht und tut es noch! wer sich diesen selbstverständlich immer gutgemeinten wahrheiten verschliesst, muss ja böse sein im bewusstsein einer religion, die sich anmasst, die wahrheit zu kennen, die gewiss von der existenz gottes weiss und seines sohnes, den er geopfert habe, uns zu erlösen - wieviel blut klebt schon an diesem für alle christen gültigen dogma! einer religion (nicht einmal deren persiflage), die noch für jeden grossschurken der weltgeschichte in den letzten 2000 jahren beten liess, die noch stets die waffen zum kriege gesegnet hat, die bomben und raketen, sogar die atombomben, die eigenen natürlich, und die zuverlässig "das reich des bösen" ortet, den untergang der welt beschwört, ihren rachedurstigen, unversöhnlichen götzen in allen staatsmännischen reden und staatsverfassungen anruft. aber auch sektenbeauftragte abkommandiert, wenn ein neues sprachrohr gottes oder dergleichen in eine welt hineintrompetet, die gerade, weil sie christlich ist, so dermassen auf den hund gekommen ist, oder halb- oder dreivierteltote scheints wieder quicklebendig macht. "denn der satan selbst gibt sich als engel des lichts aus!" welch antiquierter hokuspokus, da wie dort! doch wenn wir schon die bomben selbst bezahlen, die uns niedermachen, können wir es auch mit den institutionen tun, welche die etische rechtfertigung und grundlage dieses treibens bilden!
nein, wer solches denkt und glaubt und schreibt, wer argumentiert, krieg sei ein teufelskreis nach dem motto "auge um auge, zahn um zahn" (denn der böse ist ja immer nur der feind, selber schlachtet man millionen indianer, neger, hexen, andersgläubige, vietnamesen, afganer hinweg und will doch immer nur das beste für sie), wer gewaltfrei kämpft und wie carlo "die gegner nicht als ausgeburt des bösen betrachtet, sondern in jedem einzelnen einen menschen sieht, welcher eine familie hat, die um ihn weint, einen menschen, der, wie jeder andere auch, den frieden mehr liebt als den krieg, einen menschen, der fähig ist, mitleid und erbarmen zu spüren. im gewaltfreien kampf setzt man sich nicht mit lebenszerstörenden waffen zur wehr, sondern appelliert an das gute im menschen und versucht, dem opponenten durch diskussion die ungerechtigkeit seines handelns bewusst zu machen und ihn so zum einhalten zu bewegen. ich bin bereit, für meine ideale zu sterben, nicht aber, dafür zu töten, lautet daher der wichtigste grundsatz des gewaltfreien kampfes" - wer so schreibt und glaubt, dem setzt man am besten eine hochkarätig christliche kommission vor die nase, bestehend aus einem christlichen teologen, einem explizit christlichen psychoterapeuten, der nebenbei als redaktionsmitglied einer christlichen zeitung und als christlicher berater für lebensfragen fungiert, und einen dritten akademiker ("unabhängige leute aus der breiten bevölkerung", so stellenleiter werenfels und andere), der an der katolischen universität freiburg, dirigiert von ordensleuten der cattolica, über ‚politische bildung von jugendlichen' doktoriert hat. wenns ums prinzip geht, braucht man eben unabhängige leute, die zum beispiel auch offiziere sind, und als "die hälfte der kommissionsmitglieder sind frauen" höchstens noch eine quotenfrau qua weiblicher sachbearbeiterin!
über einen der gewissensprüfer ist folgendes im internet zu erfahren (www.kirchenbote.ch/zuerich/glaubeleben/zivildienst/vernunft.htm): die einführung eines zivildienstes habe er schon seit längerem für überfällig gehalten (es gibt kommissionsmitglieder, die angeben, 18 jahre dafür gekämpft zu haben - gewaltlos wohl. obwohl jene, die sich öffentlich für die vorlage eingesetzt hatten, als mitglieder der kommission nicht wählbar waren: nicht neutral!). zu beginn seiner tätigkeit in der aus unabhängigen zivilpersonen(!) bestehenden kommission sei er nicht überzeugt gewesen, "dass es möglich ist, das gewissen eines menschen in einem solchen verfahren zum sprechen zu bringen". aber er neige heute zu einer "eingeschränkt positiven antwort, dass eine motivationserklärung in sach- und menschengerechter, würdiger und fairer weise möglich ist." nur: "wer aus bloss rationalen erwägungen gegen den sinn des militärdienstes argumentiert, macht damit noch keine moralischen gründe geltend." die ratio, die vernunft, ist noch von allen grossen kirchenlichtern, bis und mit heute, zur fähigkeit degradiert worden, die ‚gnade gottes zu erkennen' - wer darüberhinaus vom baum der erkenntnis pflückt, begeht eine sünde. weiss man endlich, mit wes geistes kind man es in diesem zivildienstprozedere zu tun hat? wohl eine furchtbare vorstellung (eines oberleutnants? majors? gar höher?), der krieg werde eines tages aus rationalen gründen abgeschafft! wo denn anders könnte man sich weiterhin gewaltgeladen und männlich-potent gebärden, ohne auf widerspruch zu treffen?
nun also, rein rational argumentiert carlo ja nicht. ob er seine religiöse sache zu wenig tiefschürfend erläutert? aber der herr psychologe vertritt im nebenleben ja auch religiöse dinge, wenn vielleicht auch etwas kuriose, dafür mit ebenbürtigem, nein, höherstehendem impetus! der ‚zürcher kirchenbote' führt ihn als ständigen freien redaktionsmitarbeiter einer zeitung auf, in der dann so schöne dinge stehen wie "wach bleiben und beten", "ich möchte nach jesu vorbild leben, also salz der erde sein, licht sein, das leben teilen, wach bleiben" wieder und "beten". "es gibt so schöne bilder dafür in der bibel". gewiss doch, gewiss, namentlich heilsame zitate jesus', des liebesbotschafters schlechthin: "wer aber ein wort sagt wider den hl. geist, findet keine vergebung, weder in dieser noch in der zukünftigen welt" (mt. 12, 32; wer aber für ihn bei der gewissensprüfung eintritt, freilich auch keine so gestrengen prüfer wie carlo!). "wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden" (mk 16, 16 - wohl die vielgepriesene ‚liebesbotschaft'?). "hinweg von mir, ihr verfluchten, ins ewige feuer, das dem teufel und seinen engeln bereitet ist!" (mt 25, 41.) und solche froh- und drohbotschaften en masse, samt zugehörigem geister- und gespensterpersonal! wer da glaubt, diese religion schüre nicht seit 2000 jahren den krieg, die ausbeutung, die dummheit, ist naiv, ein ignorant oder ein lügner! dass die zustände hierzulande, heute, mit einem ayatollah-regime nicht zu vergleichen sind, liegt nicht am christentum, sondern daran, dass es nicht fundamentalistisch genug geglaubt wird, dass es eigentlich überhaupt nicht mehr geglaubt wird. aufklärung spricht nicht für das christentum, sondern für seinen niedergang.
aber er ist auch noch als lebenshelfer tätig, der herr psychoterapeut. unter dem titel ‚glaube und leben' frohlockt der ‚kirchenbote': "du bist du. du bist nie ich. ich bin nie du. mich selbst werdend, wage ich ein du auszusprechen. kein baum ist wie ein anderer. zwar gleichen sich die birnbäume, die nussbäume. aber jeder hat seine spezifische form, sein ganz persönliches, charakteristisches aussehen. kein blatt gleicht einem anderen. zwar gleichen sich alle kirschbaumblätter oder birkenblätter. aber jedes einzelne blatt..." "kein anderer mensch lebt, denkt, träumt, lacht, weint, isst, singt, tanzt, geniesst, fühlt genau wie ich. es ist anstrengend, dieses ich zu sein, zu werden. es braucht immer wieder mut und ein ehrliches ja zu meiner persönlichkeit. es ist anstrengend, meine baum-und-blatt-originalität zu leben." und dann wieder: "ich bin ich. ich bin ich, nicht du. mein wert ist nicht meine nützlichkeit, nicht meine leistung, nicht meine brauchbarkeit. meine wichtigsten fragen sind darum, solange ich bin: wer bin ich jetzt?" undsoweiterundsofort. wahrlich ein hoher intelligenzausweis, in so einem team mitzuarbeiten! zu schweigen von der kompetenz, das gewissen eines gesuchstellers auszuleuchten!
der andere gewissensprüfer, über den im netz etwas näheres zu erfahren ist, hat gar eine eigene homepage kreiert (www.relatio.ch/sites/mediation/medfs.html), der teologe nämlich, auch er als lebensberater tätig: ‚büro für lebensberatung und beziehungsfragen, religion, mediation in konflikten, trennungs-, scheidungs- und familienmediation. angebote in erwachsenenbildung'. "keine teuren kampfscheidungen! kein streit um kinder, haus, hund und auto! keine erniedrigungen! eine neue basis für kommunikation finden! optionen für die zukunft entwickeln! waffen an der garderobe abgeben!" steht alles so da. 120.-/h der eine tarif, 180.-/h der andere. wahrscheinlich mengenrabatt. wenns dann doch ein bisschen kampfscheidung sein darf: erstellen einer gerichtsfähigen konvention bei 3-4 sitzungen 2000.- oder doch 2500? jenachdem wohl, ob schön kampflos oder nicht. seelsorge pro stunde 100.-. oder 150.-. je nach fönlage vermutlich. doch immerhin, eines qualifiziert den teologen gewiss für seinen etwas weniger gut, aber doch auch nicht schlecht bezahlten nebenjob: "der mediator muss vor allem zwischen positionen und haltungen unterscheiden. er verfügt über metoden, welche dogmatische positionen hinterfragen kann (singular), und er setzt dagegen die selbstbehauptung und -bestimmung als menschenrecht." eine glaubwürdige ausgangsposition, gesuchsteller abzulehnen, nicht wahr? gut gebrüllt jedenfalls, herr teologe! dass man dabei amtskirchlicher- und beruflicherseits manchmal von dogmen etwas eingeschränkt ist, etwas gar eingeschränkt in einer gottlos gewordenen welt, sehr eingeschränkt sogar, um es unumwunden zu sagen - ach gott, damit hat man leben gelernt, und nicht zu schlecht, gar nicht zu schlecht! "jede behauptung, die der wahrheit des erleuchteten glaubens widerspricht, erklären wir für falsch"! oder doch lieber ‚das offenbarungsmodell der erkenntnis' gefällig? ist man katolisch, herr teologe, oder protestantisch? das ist ja heute, bei lichte besehen, kein so grosser unterschied mehr, nicht wahr, wo doch die welt ein grosses dorf und der kirchenstreit ein alter schnee von gestern. reichhardt von thüringen vielleicht, protestantischer bischof? "schuldige dankespflicht gegen gott und adolf hitler treibt uns, uns feierlich und einmütig hinter den mann zu stellen, der unserem volk und der welt gesandt ist, die macht der finsternis zu überwinden!" tönt doch fast schon biblisch! und ist gar nicht lange her! verzeihung, man ist ja doch auch als teologe ein bisschen schweizer, nicht wahr, und nicht der schlechtesten einer, obzwar: das christentum ist international, aufs grosse angelegt, aufs grösste, auf den ganzen erdball, auf die ewigkeit! wie friedensstiftend doch auch unser zwingli, unser calvin. die haben immerhin auch ganz schön hinrichten lassen. vorbilder diesseits und jenseits des religionsgrabens, noch heute, herr teologe, leuchtende! da wird man sich doch von einem buddisten nicht lumpen lassen! indes heutigentags, so mit demokratie und menschenrechten, es ist ein kreuz, man sich begnügen muss, als mediator lediglich ein wenig "die räume zu öffnen", indem man "machtstrukturen transparent und damit diskutabel macht." na also! das wäre ja schon ein anfang! und schliesslich und überhaupt müssen wir uns alle zur decke strecken, die wirtschaft, die wirtschaft! sagte ich wirtschaft? oh ja, mediation in der wirtschaft: "sie durchschaut positionen und entwickelt aus ihnen haltungen, welche sich grundlegend am gesamten firmeninteresse orientieren und in die zukunft weisen". und am menschen wohl nur insoweit, als er der firma nützt!
wie nun kann man bei der befragung vorgehen, wenn man dem gesuchsteller wirklich auf den zahn fühlen will, eventuell ausnutzen kann, dass er vielleicht, wie mancher guter schreiber, ein schlechterer redner ist, als den er sich im verlaufe des gesprächs, das harzig und von gegenseitigem unverständnis geprägt verläuft, selber definiert? immerhin ist carlo so schlecht nicht: "es geht mir darum, gewaltfrei zu leben und nicht zu töten. deshalb kann ich keinen militärdienst leisten... uniformierung und bewaffnung drücken gewaltbereitschaft aus... nach meiner überzeugung ist es schlimmer, zu töten als getötet zu werden... das recht ist anders zu schützen, ohne zu töten. ich glaube nicht, dass der feind einfach die bösen sind. einzelne soldaten können durchaus erbarmen haben, wenn jemand sich nicht wehrt - es sind menschen, nicht bestien." man fährt ihm in die parade: "es gibt jede menge gegenbeispiele!" worauf carlo erwidert: "es ist wahr, dass man mit gewaltlosem widerstand unter umständen das eigene leben hergeben muss." was denn dem tötungsverbot diese absolute gültigkeit gebe, wird carlo, laut anhörungsnotiz, weiter gefragt. "dass es ein schritt auf dem richtigen weg ist. in einem konflikt fühlen sich beide seiten im recht. jede denkt, gewalt sei legitim, das recht zu schaffen. (wie wahr doch! wieviel unseres rechts ist durch gewalt entstanden, praktisch die ganze eidgenossenschaft! um dies zu wissen, muss man allerdings nicht nur die schulbücher lesen, aber auch.) da muss man das denken ändern, nicht beharren, dass man selber im recht ist." ob denn recht haben nicht objektiv sei? (die christlich-objektiven normen der sittlichkeit!' oder: ‚das gewissen ist keine autonome und ausschliessliche instanz, um zu entscheiden, was gut und was böse ist; ihm ist vielmehr ein prinzip des gehorsams gegenüber der objektiven norm tief eingeprägt' - enzyklika des papstes ‚veritatis splendor' 1993.) "ob es objektiv ist", erwidert carlo, "kann der mensch nicht wissen." "wie sehen sie es im heutigen jugoslawien? ist beides recht? beides falsch?" carlo: "es ist einfach, von hier aus zu urteilen. nach meiner überzeugung ist es falsch, einen konflikt mit gewalt lösen zu wollen." gewalt von welcher seite, bohrt man trotzdem weiter. die gewalt der vertreibung...was man dagegen tun könne (als hätte man selber ein anderes rezept, eine andere idee als krieg!). carlo: "natürlich ist das unrecht, was milosevic da macht. aber mich dünkt, dass durch die gewalt der nato noch mehr leid entsteht." doch nicht genug, man insisitiert: "einer hat angefangen - spielt das eine rolle?" als hätte er ausweichende oder unklare antworten gegeben! "schlussendlich kann es nur dann ausarten, wenn die andern mit gewalt daherkommen. so kann die menschheit ausgelöscht werden." darauf die kommission unerschrocken: "was kommen da in ihnen für gefühle auf? da unten wird getötet - sie dürfen nicht töten..." (was ein rechter christ sein will, muss wohl blut riechen? gerade in einem religiös dermassen aufgeladenen konflikt?) carlo: "gerade durch das einmischen der nato kommt noch mehr gewalt hinein, und es bringt keine lösung." worauf man weiter zur attacke bläst: "ihre emotionen, wenn sie das da unten sehen? joschka fischer musste seine gewaltlosigkeit aufgeben. (der strassenkämpfer!) es ging nicht auf. (wie gut man das doch weiss!) ihre gefühle dazu?" carlo: "angst vor ausweitung." jetzt ist er doch vielleicht eine spur verlegen; oder etwa noch nicht? also noch einen drauf: "was haben sie damit zu tun? (obwohl carlo das tema jugoslawien gar nicht aufs tapet gebracht hat!) geht sie das etwas an? sind sie froh, in der schweiz in sicherheit zu sein?"
tendenziöse fragestellung an den temen des gesuchstellers vorbei? dabei habe sich noch keiner beschwert, sagt anton keller, der präsident der kommission. gleich nach der anhörung dürften die gesuchsteller in einem formular anmerken, ob sie fair oder unfair behandelt worden seien. wie mancher wird sich getrauen, unfair anzukreuzen, wenn noch unklar ist, ob man ihm wohlgesinnt ist oder nicht? retorische frage!
man nagelt carlo weiter fest, weiss, dass jetzt antworten kommen könnten, mit denen sich buddisten (und nicht nur sie) nur schwer die achtung der kommission zuzuziehen vermögen: "weitere verpflichtende grundsätze!" carlo: "bin im moment überfordert von solchen fragen." "versuchen wir sie anders zu stellen: wie müsste die welt aussehen, dass sie gut wäre?" antwort: "weiss nicht, ob die heile welt möglich ist, aber danach streben, das muss man." darauf die belehrung: "man muss sich für diese ideale rühren." klaro, ‚wach bleiben und beten'! ‚kein baum ist wie ein anderer'! ‚es gibt so schöne bilder dafür in der bibel'! ‚positionen durchschauen und haltungen entwickeln', möglichst eine militärische haltung! ‚sich grundlegend am gesamten firmeninteresse orientieren' und ‚in die zukunft weisen'! "ist moral eine haltung in ihrem leben oder nur in bezug aufs militär?" "würden sie leiden im militär?" dann kann man carlo gleich ruhigen gewissens zum psychiater schicken! "verstehen sie unsere fragen?" "hatten sie eine beratung?" "was würden sie tun, wenn das gesuch abgelehnt würde? was ist ihnen wichtig im leben?" carlo, eingeschüchtert(?): "wenn man an gott glaubt oder religiös ist, dann kommt es automatisch, dass das leben wertvoll ist und man es nicht zerstören darf. die armee ist dafür eine schreckliche vorstellung. in der heutigen zeit ist es nicht so einfach, sich für religiöse fragen zu öffnen." schliesslich vermerkt das protokoll: ‚keine antwort. stützt kopf auf, verdeckt gesicht mit händen, verzweifelt.' dann geht man zum stellenleiter nebenan, fragt ihn, ob man eine neue anhörung anberaumen dürfe. der meint, wenn carlo schon mal so einen zusammenbruch erlebt habe, brächte eine neue anhörung ‚sicher nichts'. dann wird die anhörung noch eine weile fortgesetzt, carlo äussert noch, dass der mensch nicht objektiv urteilen könne. der mensch müsse tun, was für ihn persönlich und jetzt stimme. (kirchenbote: ‚meine wichtigsten fragen sind darum, solange ich bin: wer bin ich jetzt?') er sei für die abschaffung der armee. "sie sagen", hält man dem entgegen, "die absolute wahrheit hätten wir nicht. (welch ein irrtum, bei den offenbarungen und beglückungen des christentums!) es geht um das, was für sie gilt. christentum?" carlo: "ich bin von den biblischen geschichten geprägt worden. habe das nicht in der pubertät plötzlich aufgegeben, sondern erweitert." die kommission: "was ist für sie in allen religionen richtig?" carlo: "die 10 gebote sind zentral für alle religionen. das wichtigste ist das tötungsverbot." warum er sich nicht habe konfirmieren lassen? (ein abtrünniger? ein abtrünniger!) carlo erwidert, damit hätte er ja gesagt zum protestantischen christentum, und das würde bedeuten, dass die andern religionen ausgeschlossen wären. schliesslich erschöpft sich die anhörung unter den kommissions-stichworten glaubensverletzung und militärdienst, depressionen (unter denen carlo früher gelitten hatte, weil sein kindlich-christliches weltbild zusammenbrach, wie er im gesuch schreibt), hitler und auschwitz und manifestation des göttlichen.
zum dessert ein paar wochen später der abschlägige bescheid der ‚zentralstelle zivildienst', in dem zwar attestiert wird, dass carlo, wie im hier nicht weiter vorgestellten lebenslauf beschrieben, erlebt habe, wie freunde in drogen, gewalt und familienkonflikte involviert gewesen seien, dass er darob in eine eigene lebenskrise geschlittert sei, aus welcher er dank der hinwendung zum buddismus herausgefunden habe mit dem vorsatz und ziel, ein studium aufzunehmen und sich anschliessend in einer höheren gesellschaftlichen stellung für randgruppen, für mehr toleranz und damit für ein friedliches zusammenleben einzusetzen. doch erfülle er die erfordernisse an einen gewissenskonflikt mit dem militär nicht in genügender weise, weil sich das gespräch schwierig gestaltet habe, weil es ihm nicht gelungen sei, tragende grundsätze als elemente seiner lebenshaltung darzustellen. "zu erfahren, dass menschen nicht einfach in gut und böse eingeteilt werden können, löste in ihnen zunächst eine grosse verunsicherung aus. im buddismus fanden sie dann dafür eine für sie gültige begründung in der erkenntnis, dass alle menschen göttlichen ursprungs sind und somit alles gute in sich tragen. das ändert am bestehen von gut und böse als kategorien des handelns jedoch nichts. (wie man sich doch auskennt!) sie verwahrten sich aber (?) deutlich gegen die kühnheit, sich darüber ein urteil anzumassen. das ist laut ihren ausführungen nur auf der ebene der objektiven wahrheit möglich. demnach erkennt ein sehr unbestimmtes göttliches (!) allein gut und böse und bewirkt, dass die falschen wege in sackgassen münden. dem menschen aber sprechen sie explizit die fähigkeit des objektiven urteils ab. wenn es nicht sache des menschen sein kann, zwischen gut und böse zu unterscheiden, dann ist der etischen argumentation, welche sich essentiell auf werturteile zu stützen hat, der boden gänzlich entzogen. jeder moralische anspruch an das handeln des menschen muss erlöschen, und es kann gar kein gewissen geben." welch filosofische beamtenworte! und so trefflich! "sie führten ihren angeblichen gewissenskonflikt auf die gewaltlosigkeit und das tötungsverbot zurück, denen sie so stark verpflichtet seien, dass sie eher zu sterben bereit wären als zu töten. während sie das tötungsverbot als das wichtigste der 10 gebote und als zentralen punkt aller religionen im gesuch auf die erkenntnis zurückführten, dass gott sich in jedem lebewesen manifestiere, entzogen sie in der anhörung generell jeder begründung den boden, indem sie mühe bezeugten, ‚etwas so bestimmt auf eine ursache zurückzuführen'. zudem verweigerten sie sich in der anhörung der ‚diskussion religiöser fragen' mit der begründung, es sei in der heutigen zeit nicht so einfach, sich für diese diskussion zu öffnen. weil sie aber in den schriftlichen und mündlichen darlegungen einen sehr persönlichen religiösen werdegang und ‚das religiöse' als die wichtigste grundlage einer individuellen werthaltung bezeichnet hatten und dem tötungsverbot eine überragende bedeutung zuzusprechen schienen, wäre es für das glaubhaftmachen eines gewissenskonflikts unerlässlich gewesen und es durfte erwartet werden, dass sie über beides ausreichend umfassende angaben machen könnten. diesen anspruch erfüllten jedoch ihre beteuerungen nicht, es handle sich für sie um mehr als schlagworte und wenn man an gott glaube oder religiös sei, ‚komme es automatisch', dass das leben wertvoll sei und man es nicht zerstören dürfe. sie haben die sie angeblich bestimmenden religiösen inhalte nicht beleuchtet und nicht aufgezeigt, wozu und weshalb sie sich in der behaupteten bewussten und intensiven auseinandersetzung mit verschiedenen religionen entschieden hätten(!!). deshalb blieb das tötungsverbot, welches das zentrum ihres heutigen glaubens darstelle, entgegen ihren beteuerungen in ihren vorbringen ein schlagwort. andere gedanken wie die entwicklung des menschen zur erleuchtung deuteten sie nur an."
und weiterer spitzfindigkeiten die fülle! wie spannend doch so ein job! welch schöne aufgabe, quasi am busen der jugend sich fürs allgemeinwohl einzusetzen, staatstragend, wertvoll, wertedemokratisch! und welch rabulistisches geschnorr für gutes gehalt und eine schöne pension!
noch ein supplément gefällig? aus einem interview mit kommissionspräsident anton keller: "wir müssen glaubwürdig sein gegenüber den leuten, die den militärdienst nicht mit ihrem gewissen vereinbaren können, und ihnen die chance zum zivildienst geben. anderseits müssen wir die glaubwürdigkeit auch auf die armee oder die bürgerliche seite hin erreichen, die dem zivildienst mit grosser mehrheit ihre unterstützung gegeben hat. sie erwartet jetzt von dieser kommission, dass sie ihre arbeit seriös erledigt und das gespräch mit den gesuchstellern fundiert führt. sie soll nicht den eindruck erwecken, es seien alles rasche gefälligkeitsentscheide. das wäre für die ganze sache auch nicht gut, das könnte sich auch für die zivildienstleistenden negativ auswirken, wenn man das gefühl hätte, jeder könne ungeprüft zivildienst statt militärdienst leisten. das möchte ich auch nicht."

weiter so!


buchtip: theo logisch, "das ist euer glaube!" angelika lenz verlag 1998

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