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schandfleck.ch_archiv/2002/nr.2
barbara streiff
demokratie in glarus

1. historische betrachtung
"ein typisches beispiel für die schamlosigkeit der klassenherrschaft bietet der werdenberger handel. die grafschaft stand unter der landeshoheit von glarus; dieses selbst war ,demokratisch', hatte seine landsgemeinde und seinen rat. 1667 erhielten die werdenberger die zusicherung, dass der landvogt kein vieh auf ihre gemeinen weiden treiben und kein holz in ihren bannwäldern schlagen dürfe. kaum gewährt, bereuten die glarner herren das zugeständnis. auf pfiffige weise glaubten sie den rank finden zu können: das versprechen sei wertlos, wurde den untertanen gesagt, weil es vom rat gegeben wurde und nicht von der allein zuständigen landsgemeinde. man forderte von den werdenbergern die herausgabe der urkunde, und als die grafschaftsleute misstrauisch die forderung ablehnten, griff man zur betrügerischen list. man wünsche die urkunde nur zu prüfen; sei die durchsicht erfolgt, so werde man das schriftstück selbstverständlich zurückgeben. die werdenberger fielen auf den schwindel herein, denn in ihrer einfalt wie in ihrem glauben an die wahrhaftigkeit ihrer regenten konnten sie nicht ahnen, dass eine regierung, der sie achtung und gehorsam schuldeten, lug und trug zur staatsräson erheben würde. natürlich blieb die urkunde in glarus; jahrzehntelang forderten sie die werdenberger vergeblich zurück. da kam 1719 ein neuer landvogt. ihm verweigerten die untertanen die huldigung; dem beamten einer wortbrüchigen regierung wollten sie keine treue geloben, nachdem die obrigkeit selber treulosigkeit geübt hatte. als die werdenberger erneut auf die herausgabe der urkunde drangen, rief glarus die intervention der eidgenössischen orte an. die auf ihr recht pochenden untertanen gaben unter diesem druck nach; 1720 unterwarfen sie sich bedingungslos." doch der handel war noch nicht zu ende: "und wie es in solchen situationen zu gehen pflegt: dem sieger schwoll der kamm." unter zusicherung des freien geleits seitens der glarner zogen 1721 zwölf werdenberger abgeordnete in die stadt des heiligen fridolin und wurden unter schmählichem bruch des versprechens sofort verhaftet. "sobald die werdenberger von der neuen infamie der glarner hörten, rotteten sie sich zusammen", worauf "1900 mann aus der eidgenossenschaft sich nach dem werdenberg aufmachten, um dort den leuten mit waffengewalt beizubringen, dass ein redlicher untertane am wortbruch seiner herren keinerlei anstoss zu nehmen habe und ihnen selbst dann gehorsam und achtung schuldig sei, wenn man ihm das blut aus den nägeln herauspresste." und: ...."der fall ist klassisch, aber nicht vereinzelt. die von den glarnern brutal zur schau getragene gesinnung ist die gesinnung der herrschenden klassen überhaupt. grausamer, verschlagener und rücksichtsloser als diese "demokraten", von denen man bekanntlich in schaurig-süsser verzückung sprechen soll, hätte sich auch ein absoluter fürst nicht geben können." aus: robert grimm, "geschichte der schweiz in ihren klassenkämpfen", limmat verlag 1976.

2. zeitgenössische betrachtung
"das landesschwert ist wohl als symbol der macht, für die gerechtigkeit der regierung zu verstehen? das schwert, welches der landammann auch an dieser landsgemeinde trug, hat für mich die bedeutung einer mordwaffe und gehört ins kriminalmuseum, wenn es wirklich, wie ich vernommen habe, jenes ist, mit dem vor 200 jahren anna göldi in der ygruben glarus geköpft wurde......es wäre an der zeit, sich ein neues schwert anzuschaffen, das alte tief in der erde zu vergraben, um den fluch der willkür und korruption loszuwerden....ich denke, es entspricht weder den moralischen noch etischen vorstellungen des dritten jahrtausends eines humanen menschen, ein solches schwert als symbol der macht und gerechtigkeit weiterhin einzusetzen. da ich als freischaffende künstlerin hier in glarus seit zehn jahren lebe und arbeite, durch meine begegnungen und ausstellungen sowie in der öffentlichkeitsarbeit hier in glarus vielem ausgesetzt bin, weiss ich, wovon ich rede!"

(leserbrief der barbara streiff, glarus, vom 10. mai in der "südostschweiz", dem "schandfleck" freundlicherweise von der autorin zur verfügung überlassen.

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