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schandfleck.ch_archiv/2002/nr.1
johannes künzler
arbeit als religion
im folgenden sollen hier in kürze - und so auch unvollständig und nur ausschnittweise - ein paar grundzüge aus max webers protestantischer etik (1920) wiedergegeben werden. dabei möchte der collage-fabrikant möglichst oft weber selbst 'sprechen' lassen. es ist sicher nichts neues, das tema arbeit anhand der ideen webers anzugehen - weber mag unter soziologen ein alter hut sein, nur: wie viele leute sind schon soziologInnen? webers tesen sind genug interessant, möglichst vielen menschen zu teil zu werden und nicht nur einem kleinen, exklusiven kreis. sie sind immer noch aktuell und können einem vielleicht helfen, gewisse probleme der heutigen (arbeits-) verhältnisse etwas besser zu verstehen.
warum und inwiefern arbeit zur religion werden konnte, soll nun in vier - miteinander in verbindung stehenden - komplexen dargelegt werden:

die erste kapitelüberschrift lautet so: vom arbeiten um zu leben zu vom leben um zu arbeiten oder der traditionalismus als ärgster feind des 'neuen' kapitalistischen geistes.
in der sogenannten frühen neuzeit (ca. 1400 - 1700) bildeten sich in den europäischen gesellschaften nach und nach andere, 'neue' denkmuster der religion, der kunst und der ökonomie heraus. ein starkes, einflussreiches moment dieses langsamen und komplizierten prozesses war die reformation, also die abspaltung der protestanten von der katolischen kirche (15. jahrhundert). weber zu folge machten es nun die protestantischen ideen erst richtig möglich, dass sich ein "neuer kapitalistischer geist" in europa durchsetzten konnte. ( man darf aber nicht vergessen, dass es auch in der katholischen kirche verschiedentliche bemühungen gab, jenen "geist" als moralisches und kirchliches kapital zu nutzen...) so einen neuen geist liess sich selbstverständlich dem 'gemeinen volk' nicht von heute auf morgen einimpfen - es gab auch einen gegner:

"der gegner, mit welchem der geist des kapitalismus im sinne eines bestimmten, im gewande einer etik auftretenden, normgebundenen lebensstils in erster linie zu ringen hatte, blieb jene art des empfindens und der gebarung, die man als traditionalismus bezeichnen kann."

die männer des neuen geistes können ungefähr so charakterisiert werden:

"der gedanke an die fromme langeweile des paradieses hat für ihre tatenfrohe natur wenig verlockendes, die religion erscheint ihnen als ein mittel, die menschen vom arbeiten auf dem boden dieser erde abzuziehen. würde man sie selbst nach dem sinn ihres rastlosen jagens fragen, welches des eigenen besitzes niemlas froh wird, und deshalb gerade bei rein diesseitiger orientierung des lebens so sinnlos erscheinen muss, so würden sie, falls sie überhaupt eine antwort wissen, zuweilen antworten: die sorge für kinder und enkel, häufiger aber - da jenes motiv ja offenbar kein ihnen eigentümliches ist, sondern bei den traditionalistischen menschen ganz ebenso wirkte, - richtiger ganz einfach: dass ihnen das geschäft mir seiner steten arbeit zum leben unentbehrlich geworden sei. das ist in der tat die einzige zutreffende motivierung und sie bringt zugleich das, vom persönlichen glücksstandpunkt aus angesehen, so irrationale dieser lebensführung, bei welcher der mensch für sein geschäft da ist, nicht umgekehrt, zum ausdruck."

die in der traditionellen lebensführung verbliebenen konnten das nicht einsehen:

"das aber ist es eben, was dem präkapitalistischen menschen so unfasslich und rätselhaft, so schmutzig und verächtlich erscheint. dass jemand zum zweck seiner lebensarbeit ausschliesslich den gedanken machen könne, dereinst mit hohem materiellen gewicht an geld und gut belastet ins grab zu sinken, scheint ihm nur als produkt perverser triebe (...) erklärlich."

kommen wir um zweiten komplex: die entzauberung der welt und arbeit als religiöses moment. wenn weber von der "entzauberung der welt" spricht, so meint er damit das allmähliche herausfallen alles magischen und magisch-rituellen bei religiösen handlungen, welches insbesondere die proterstanischen 'sekten' - hier immer noch in scharfem gegensatz zu den katoliken - radikal beförderten. die verbindung zu gott ist abgerissen, nichts, aber auch rein gar nichts ist von seiner anwesenheit in der welt zu spüren, kommunikation mit allem übersinnlichen unmöglich geworden. dies bewirkt u.a., dass dinge wie busse tun, für verstorbene beten oder almosen verteilen ihre wirkung als heilsgarantie völlig verloren haben, heiligenverehrung ist götzendienst geworden, das abendmahl zum blossen symbol (an stelle des zaubertricks, aus wein blut zu machen und dieses anschliessend in dracula-manier zu schlürfen) verkommen. der absolut unverständliche, geheimnisvolle gott wirft den menschen umso mehr auf sich selbst zurück und auf das leben in der welt: die irdischen, die so genannt innerweltlichen tugenden sind so zum einzigen religiösen akt der bewährung und des heils geworden, allem voran die (berufs-)arbeit.

"aber dabei ist zu berücksichtigen, was heute oft vergesen wird: dass die reformation ja nicht sowohl die beseitigung der kirchlichen herrschaft über das leben überhaupt, als vielmehr die ersetzung der bisherigen form derselben durch eine andere bedeutete. und zwar die ersetzung einer höchst bequemen (...), vielfach fast nur noch formalen herrschaft durch eine im denkbar weitest gehenden masse in allen sfären des häuslichen und öffentlichen lebens eindringende, unendlich lästige und ernst gemeinte reglementierung der lebensführung."

etwas konkreter:

"nun ist unverkennbar, dass schon in dem deutschen worte beruf (...) eine religiöse vorstellung: - die einer von gott gestellten aufgabe - wenigstens mitklingt (...). "

Luther habe dieses wort bei seiner bibelübersetzung so quasi neu erfunden - in den hebräischen oder lateinischen bibeltexten sei bei dem entsprechenden wort noch keine solche berufungs-konnotation beigemischt gewesen. und weiter:

"und wie die wortbedeutung, so ist auch (...) der gedanke neu und ein produkt der reformation. (...) unbedingt neu war jedenfalls zunächst eins: die schätzung der pflichterfüllung innerhalb der weltlichen berufe als des höchsten inhaltes, den die sittliche selbstbetätigung überhaupt annehmen könne. dies war es, was die vorstellung von der religiösen bedeutung der weltlichen alltagsarbeit zur unvermeidlichen folge hatte und den berufsbegriff in diesem sinne erstmalig erzeugte. es kommt also in dem begriff beruf jenes zentraldogma aller protestantischen denominationen zum ausdruck, welches die katolische unterscheidung der christlichen sittlichkeitsgebote in praecepta und consilia verwirft und als das einzige mittel, gott wohlgefällig zu leben, nicht eine überbietung der innerweltlichen sittlichkeit durch mönchische askese, sondern ausschlisslich die erfüllung der innerweltlichen pflichten kennt, wie sie sich aus der lebensstellung des einzelnen ergeben, die dadurch eben sein beruf wird. "

somit sind wir bei einem weiteren komplex der protestantischen etik angelangt: jeder mensch ein mönch! - innerweltliche askese und die vereinsamung des individuums. als konsequenz aus der höchst religiösen vorstellung von arbeits- und berufsleben konnte das entstehen, was weber mit innerweltliche askese bezeichnet. es bedeutet, dass der einzelne mensch sich dauernd, wirklich in jeder sekunde seiner wertvollen lebenszeit, der selbstreflexion und selbstkontrolle unterwerfe, im stil: "wie kann ich meine arbeitskraft optimieren, wie kann ich mein leben rationell bis ins letzte durchgestalten, damit ich die grösstmögliche leistung aus mir herausholen kann? was tue ich als nächstes und was hat dies für konsequenzen bezüglich meiner arbeit?" usw. konkret: hart arbeiten im beruf und weiter: bescheidene nahrung (v.a. wenig fleisch!), keine genussmittel überhaupt, sexuelle enthaltsamkeit, hartes bett, kühle arbeitsräume, denn sie halten einen wach etc. ständiges, nimmer aufhörendes an sich halten! (dies ging natürlich einher und hing eng zusammen mit der mehr und mehr sich entwickelnden industrialisierung der arbeitswelt und deren immer rationalisierteren arbeitsabläufe. z.b. entstehung der manufakturen). auf diese weise ist nun jeder mensch ein mönch geworden. äusserst wichtig beim ganzen ist nun, dass jede(r) bei diesen tätigkeiten absolut auf sich alleine gestellt ist, nicht nur weil es fortan keine magischen verbindungen zwischen allen lebewesen der welt und überwelt mehr geben soll, sondern auch weil bei der neuen gnadenkonzeption alle nur sich selbst helfen können. hier vermischen sich nun verschieden aspekte des dritten und des vierten komplexes, weshalb nun schon die überschrift des vierten feldes gegeben wird:

arbeiten für gott - kapitalvermehrung als garantie der erlösung: das konzept der auserwählten im calvinismus.

ja, die frage stellt sich natürlich: wieso soll denn jeder für sich schauen und nichts tun als arbeiten und darauf achten, wie der arbeitsprozess zu verbesseren wäre?

"der calvinismus fügte aber im verlauf seiner entwicklung etwas positives: den gedanken der notwendigkeit der bewährung des glaubens im weltlichen berufsleben hinzu. er gab damit den breiten schichten der religiös orientierten naturen den positiven antrieb zur askese."

und im zusammenhang mit der askese der puritaner:

"aber die arbeit ist darüber hinaus, und vor allem von gott verschriebener selbstzweck des lebens überhaupt. der paulinische satz: wer nicht arbeitet, soll nicht essen, gilt bedingungslos und für jedermann. die arbeitsunlust ist symptom fehlenden gnadenstandes."

der letzte satz dieses zitates ist in der lehre von johannes calvin (reformator in genf) noch weiter getrieben worden, und zwar auf diese weise nämlich, dass nicht nur die fehlende arbeitslust, sondern vor allem auch das fehlende geld/kapital, der ausbleibende reichtum ein überdeutliches zeichen darstellte, dass jener 'arme' bereits ausersehen ist, in der hölle zu schmoren. es konnte einer noch so hart arbeiten - wenn er zugleich kein kapital anhäufen konnte, dann war er verloren, ein verdammter (so genannte praedestinationslehre - alles ist schon vorbestimmt). es wurde in ihm auch ein schlechter mensch gegenüber der ganzen menschheit (oder zumindest einer bestimmten grösseren gruppe) gesehen, einer, der offensichtlich nicht gewillt war, den reichtum des reiches gottes auf erden zu mehren. und so dazu nichts beitrug, den entwicklungsstand gottes vorwärts zu bringen. (das ist ein teosofisches konzept, wenn der entwicklungsstand der menschen gleich dem entwicklungsstand gottes gesetzt wird. es gibt im buddhismus ähnliche vorstellungen - siehe reinkarnations-vorstellung: wer schlecht gelebt hat, muss noch einmal antreten, bis die sache 'gut' ist.) für die armen wurde das hart:

"... - eine kluft, die in harter schärfe in alle soziale empfindungen einschnitt. denn diesem gottesgnadentum der erwählten und deshalb heiligen war angesichts der sünde des nächsten nicht nachsichtige hilfsbereitschaft im bewusstsein der eigenen schwäche, sondern der hass und die verachtung gegen ihn als einen feind gottes, der das zeichen ewiger verwerfung an sich trägt, adäquat. "

jeder gegen jeden!

"gottes gnade ist, da seine ratschlüsse unwandelbar feststehen, ebenso unverlierbar für die, welchen er sie zuwendet, wie unerreichbar für die, welchen er sie versagt. in ihrer patetischen unmenschlichkeit musste diese lehre (...) vor allem eine folge haben: ein gefühl einer unerhörten inneren vereinsamung des einzelnen individuums. "

also: einem bettler nichts geben, denn erstens verringert das das eigene vermögen und so den gnadenstand und andererseits ist ein bettler ein schlechter mensch, denn er hilft nicht mit, dem reich gottes auf erden zu grösserer ehre zu verhelfen, ja er ist demzufolge asozial und ohne menschenliebe! schliesslich kann ihm ohnehin nicht geholfen werden, denn er ist praedestiniert...


soweit ein paar grundpfeiler der teorie max webers zur (arbeits-) etik der protestanten bzw. der 'modernen' allgemein.
hier noch die quellenangabe und den/die lesetip(s):

- max weber: die protestantische etik und der geist des kapitalismus. in: gesammelte aufsätze zur religonssoziologie I . tübingen 1988.

- peter blickle: die reformation im reich. 2. , überarbeitete und erweiterte auflage. stuttgart 1992.


gepriesen, wer arbeitet!
spekulationen über das thema arbeit und das so genannt sinnvolle am zivildienst

vorgängig muss noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass dieser text womöglich allzu räselhaft bleibt, wenn du, lieber leser, liebe leserin, nicht schon den anderer 'arbeit-text', arbeit als religion, der als eine art einführung ins tema gedach ist, gelesen hast.


behauptung: der zivildienst wird in einem grossen teil der bevölkerung als etwas sinnvolles betrachtet - und geht deshalb noch grad so durch als grund, keinen militärdienst zu leisten; und zwar deshalb, weil unsere gesellschaft doch recht stark von der protestantischen arbeits-etik geprägt ist (schliesslich wirkten zwischen genfer- und bodensee mit calvin und zwingli zwei hardliner-prots), die es erlaubt, arbeit und kapitalvermehrung als religiöse, gute sache anzusehen. da arbeiten primärer lebenszweck unsereiner und geldvermehrung untrügliches zeichen des gnadenstandes ist, heisst sinnvoll tatsächlich eben mit sinn erfüllt. selbstverständlich ist hier die bedeutung von sinn mit zweck oder nutzen, nicht etwa mit sinnlich synonym zu setzten! mit diesen drei sätzen könnte dieser text eigentlich schon schliessen. da retorik, die rede zur überzeugung, aber ein hartes scheissgeschäft ist, werde ich (fauler schreiberling) wohl noch ein paar argumente und beispiele aufreihen müssen.
nun, die sache ist natürlich schon etwas komplizierter als oben angesprochen, ja eigentlich gibt es beim erhärten meiner tese mehr probleme als lösungen: viele menschen, die hier leben, sind keine protestanten und diejenigen, die es sind, kennen die dogmen ihrer kirchenväter in aller regel nicht oder nur dürftig. landauf, landab wird behauptet, nicht religiös zu sein - pah, denkste! überdies hat ein scheinbarer synkretismus ( vermischung verschiedener religionen, verschiedener konfessionen oder lebensfilosofien, meist ohne gründung einer inneren einheit ) gar manchen geist dermassen vernebelt, dass oben und unten partout nicht mehr erkannt sein wollen. einen weiteren fragenkomplex bietet das feld der berufsetik. der berufsbegriff hat sich in den letzten zwanzig jahren radikal verändert: wer lernt heute bei uns schon einen beruf, den er/sie dann bis zur pensionierung ausübt? das kann sich heute niemand mehr leisten, den luxus nämlich, beruf als berufung anzunehemen und einmal erlerntes einfach anzuwenden bzw. eine stelle auf lebzeit zu haben: wir haben flexibel zu sein, uns ständig weiterzuentwickeln usw. so wäre denn zu fragen: kann zivildienst überhaupt als berufsarbeit bezeichnet werden oder ist das nicht doch eher bloss ein mc-job, so 'was für zwischendurch? drittes problem: wieso konnte das militär den dienst an ihm so lange als absolut unverzichtbares element der erziehung zum wertvollen menschen verkaufen, wenn doch arbeiten zur mehrung des ruhmes des reich gottes auf erden geradezu heilig ist und im militärdienst ja nicht eigentlich gearbeitet und geld vermehrt wird?
es braucht nicht unheimlich viel fantasie, auf den gedanken zu kommen, das schweizer militär sei in erster linie zur disziplinierung junger, angeblich ziellos agierender, wilder männer da. mit blick auf die protestantische hausväterliteratur, die vom tema des bedingungslosen gehorsams (gegenüber dem vater eines hauses) beherrscht wird, würde das auch in bezug auf die arbeitswelt und die funktion des militärischen denkens und handelns einen sinn ergeben: die arbeitswelt braucht männer, die nicht aufmucken, die oben und unten anerkennen, die die ordnung einer hierarchischen gesellschaft akzeptieren oder gar aktiv vertreten. solche männer werden günstig und brav arbeiten, auch wissen sie auf die zähne zu beissen. (inwiefern das verstärkte eintreten von frauen in früher nur von männern ausgefüllten arbeitsdomänen hier eine lockerung der verhältnisse gebracht hat, kann ich leider nicht sagen, da ich in diesem bereich nicht beschlagen bin.) bei all dem darf man natürlich nicht vergessen, dass zivis nicht hohes ansehen geniessen, sondern heute einfach mehr oder weniger geduldet werden. so als bessere, "fairere" und "sauberere" variante als der blaue weg. der eigentlich arbeitsunfähige, unzurechnungsfähige psycho-fall ist ja gegnüber dem dienstverweigerer, der in die kiste wandert, nur deshalb knapp entschuldigt, weil er nicht willentlich sagt, er könne keinen dienst leisten. kehren wir aber wieder zum tema arbeit zurück.
was das zweite angesprochene problemfeld betrifft, so sehe ich ebenfalls einen erklärungsansatz. wenn wir die veränderte arbeitswelt unter dem aspekt betrachten, dass sich offenbar der calvinismus gegeüber dem luthertum duchgesetzt hat, so löst sich der knoten fast von selbst: ist es denn nicht so, dass die grosskapitalisten, die, die ihr geld nicht durch arbeit, sondern durch geld verdienen, wie heiligie behandelt werden? ich meinte, es ist sogar sehr auffällig so: lächeln uns doch alle tage irgendwelche ebners, mühlemanns und de purys aus den zeitungen und der flimmerkiste entgegen, dass es die wahre erleuchtung zu sein scheint. nicht wegen nichts wird ihnen mit namen wie opinion leaders oder global players gehuldigt. aufs penetranteste verbreiten sie ihre glaubenssätze (wär nu richtig schafft, chunnt scho witer, und sälbschtverantwortig übernää, ihr tuble!). bei ihnen wirkt der zasterberg, den sie ja nicht zum geniessen verpülvern, sondern stets nur grösser werden lassen, tatsächlich als zeichen des auserwähltseins. es geht nur immer darum, dass die börsenkurse einer firma nicht fallen, nicht darum, dass der wohlstand schön gleichmässig allen - zum leben davon - zuteil wird. die berufsetik ist dagegen völlig in den hintergrund gedrängt worden. es gibt immer weniger betriebe, die lehrlinge ausbilden wollen. die wirtschaft will flexible, billige, gut unterdrückbare mass- und massenmenschen, nicht etwa leute, die einen berufsstolz und entsprechend gute arbeitsbedingungen und entlöhnung fordern. in diesem zusammenhang können wir die im zivildienst geleistete arbeit als billig-lohn-arbeit qualifizieren. sie schafft viel kapital, drum ist sie gut, sie dient dem gemeinsinn. die zivis werden nach belieben dort oder dort eingesetzt, sie haben sich selbstverständlich als flexibel zu erweisen. zivildienst ist ein mc-job - obwohl gewisse leute dabei eigentlich auf ihrem beruf sind -, denn die bedingungen sind die eines jobs. kurzer, flexibler einsatz, und was nachher kommt - selber schauen.
als wichtigste komponente für das funktionieren des ganzen betrachte ich aber die tatsache, dass die oft vertretene oder geglaubte areligiosität unserer sogenannten westlichen zivilisation eben eine täuschung ist. wenn wir einmal webers tese der veränderung, nicht aber der abschaffung der religiösen handlungen, in deren zentrum nun das arbeiten steht, angenommen haben, so müssen wir daraus den schluss ziehen, dass wir heute regelrechte fundis sind. jawoll, so ist es. (auch vertritt ja z.b. die cvp (christliche volkspartei) keine eigentlich konservativen werte mehr, im gegenteil, auch sie gibt sich betont modern, d.h. wirtschaftsorientiert). und hier schiebe ich grad noch etwas nach für die, die glauben, mittels esoterik und ein bisschen buddhismus unserer bösen, bösen welt etwas gutes entgegensetzten zu können:
es gibt viele leute, die mit der festen überzeugung leben, sie könnten der grauen und brutalen arbeitswelt entfliehen und dabei eine art passiven widerstand leisten, indem sie ab und an irgendso ein psycho- , wellness-, meditations-kürsli machen. "ach, wir sind doch heute so unsinnlich und ohne sinn für spirituelles..." ich ruf euch zu: verkehrt gedacht, babies! man muss sich nur mal ein wenig achten, unter welchen schlagwörtern und von wem solche kürsli angeboten werden und welche inhalte sie vermitteln. reisst man alle geschmacklos faden batikstöffchen-vorhänge mal runter und kippt die aurasoma-fläschchen bis zum letzten tropfen in den müll, kommt dahinter und darunter die knallharte arbeits-askese-filosofie von managerschulen hervor. die parolen sind klar und knapp: mach dies und das, damit du weiterkommst in der arbeit, damit du leistungsfähiger wirst. unter der parole bewusstseinserweiterung wird nichts anderes als die immerwährende selbstkontrolle ins gehirn gemeisselt. was weiss der geier: bilde dein schakra so und so und du wirst in die nächst höhere stufe gelangen. alles läuft dabei auf diät halten, abhärtung und stählung des körpers, sexuelle enthaltsamkeit, drogenabstinenz usw. hinaus. der asket, die asketin wird es schaffen! unter dem mäntelchen von etwas fremdem, sinnlich-magischem werden hier nichts anderes als urprotestantische werte untergejubelt. gesund leben, damit die arbeitsmaschine mensch reibungslos funktioniert. und wer es dann trotzdem irgendwie nicht schafft, muss halt noch ein wenig "an sich arbeiten" und nur immer schön "positiv denken"... wer das nicht tut, ist selber schuld, wenns schief läuft und/oder ein schlechter mensch, der sich nur nicht eben recht angestrengt hat. so werden die auftretenden probleme von den betroffenen freiwillig als selbstverschuldet angenommen und still privatisiert - statt sozialisiert und politisiert. so halten die leute, die davon überzeugt sind, mittels eines fernöstlichen oder sonst eines nicht-christlichen glaubens der schreklich schlechten welt etwas gutes entgegenzuhalten, der schlechten (faulen und geniesserischen) welt tatsächlich etwas gutes entgegen, nur nicht ganz so, wie sie sich das ursprünglich einmal ausgemalt haben... gleiches gilt natürlich ebenso für alle freizeitlichen aktivitäten, die man so gemeinhin zum ausgleich macht.
ich denke, die eingangs gemachte behauptung besitzt plausibilität: arbeitender - oder uns auf die arbeit vorbereitender weise sind wir als menschen (in unserem kulturkreis) mit sinn erfüllt, sinnvoll. wer zivildienst leistet, muss sich bewusst sein: er ist im räderwerk der protestantischen etik ein 1-a-rädchen, nicht etwa ein revolutionär. ich aber habe zuletzt ein so hartes herz und die macht der richtbarkeit, euch (angehenden) zivis zuzurufen - das einzig wirklich ‚richtige' in bezug auf militärverweigerung ist die kiste! auch da kann man unserer pervers menschenverachtenden gesellschaft nicht entfliehen. einziges rezept wäre eine radikale umwälzung der vorhandenen verhältnisse. doch das ist dann wieder ein anderes, weites feld, und ich will und kann es hier jetzt nicht mehr behandeln.

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