schandfleck.ch_archiv/2001/nr.4 |
georg
l'homme
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kriegsspielzeug | ||
"päng
- du bisch tot"
erwachsene stellten
mit zinnsoldaten berühmte schlachten nach, teilweise mit komplexen
regelsystemen. die hersteller schufen spielmenschen mit mehreren armen
und beinen in verschiedenen stellungen, die konnte man bei bedarf abschneiden.
auch ohne die beweglichkeit heutiger plastikfiguren konnten so verschiedenste
kampfsituationen dargestellt werden. in der offiziersausbildung hatten
sandkastenkriege mit zinnfiguren ihren festen platz als lehrmittel für
kriegsstrategie und taktik. dies ist der ursprung aller heute beliebten
strategiespiele. krieg ist heute als
aufmarsch von armeen kaum noch vorstellbar. die bedeutung von miniatursoldaten
ist dementsprechend zurückgegangen. wesentlich attraktiver finden
kinder jedoch spielzeug mit hochentwickelter militärischer technik.
kriegsfantasien orientieren sich aktuell weniger an realen kriegen als
an science-fiction- und fantasy-stoffen. sie sind ein bunter mix aus high-tech,
komputergesteuerten waffen, robotern und märchen, sagen, fabelwesen
aus einer anderen welt mit übernatürlichen kräften. primär
zukunftsvisionen oder fantasien und albträume von erwachsenen. deren
"helden" sind batman, he-man oder pokemon. - seit den 60er jahren
hat plastikspielzeug blech- und metallspielzeug verdrängt. mit formbarem
plastik lassen sich sci-fi- und fantasy-welten unbegrenzt variieren und
reproduzieren. comix, tv und spielwaren können seither unmittelbar
aufeinander abgestimmt werden, fortsetzungen sichern den umsatz auf jahre! neben dem komputer
liefern sich kinder und junge erwachsene am spieltisch stundenlang kriege
mit kampfmonstern aus plastik: ein 24jähriger beugt sich über
den schlachttisch und bringt seine armee aus mehreren dutzend plastikmonstern
in stellung. auf der gegnerischen seite besammelt sich eine horde von
kampfrobotern. die würfel sind gefallen, der schlagabtausch beginnt:
"plasmawerfer, stärke 3, 4 schuss!!" und er rückt
mit einem panzer vor. der andere muss erste kämpfer vom tisch nehmen,
"kanonenfutter". vor dem nächsten zug wird mit dem metermass
geprüft, wie weit die psi-strahlen der waffen reichen. es geht darum,
mit einer armee aus kleinen figuren das heer des gegners zu vernichten. was den einen ein
vorzug: "es ist ja alles eine fantasiewelt. gott sei dank hat es
nichts mit realem krieg zu tun." den andern ein greuel: "so
was gibt's ja gar nicht. kinder sollten lieber ihre eigene welt nachspielen."
- wie auch immer, als kriegsspielzeug bezeichnet kaum jemand die action-figuren,
da sie nicht realistisch genug sind. kinder haben das bedürfnis,
(medien-)erlebnisse auszuspielen. das rollenspiel ist wie ein nacherleben
und damit verarbeiten. wenn kinder aggressive szenen spielen, können
sie erregung und anspannung loswerden, das gesehene wird begreifbar und
macht keine angst mehr. - kinder lieben eindeutigkeiten. "ist der
gut oder böse?" möchten wir doch gerne differenziert urteilen.
dennoch ist im kleinkinderalter die-ses schwarzweissdenken vorhanden.
der kampf zwischen gut und böse wird im rollenspiel lustvoll durchgestaltet,
das gute muss dabei immer siegen. aggressives spielzeug löst ebensolches verhalten aus. auslösen, aber nicht verursachen. in gewaltspielzeug ursachen aggressiven verhaltens zu sehen, ist absurd. minipanzer und waffenbestückte action-spielsets zeigen einen ausschnitt der erwachsenenwelt. nicht zufällig entstand he-man im kalten krieg als ein blonder, weisshäutiger held, skeletor kommt aus dem osten und verkörpert das reich des bösen. als "das reich des bösen" hatte der damalige us-präsident bereits die sowjetunion bezeichnet. kinder wissen von diesen paralellen zu politik und gesellschaft meist nichts. zum ausdruck ihrer feindseligen gefühle finden sie aber gegenstände, symbole und zeichen vor, die besetzt sind mit politischen inhalten und feindbildern. so findet krieg eingang in die subjektive kinderwelt, sein eigenes erleben, fühlen, träumen, fantasieren und ist zwar als schlechte, aber denk- und akzeptierbare lösung von konflikten vorhanden. jedoch müssen mit kriegsmodellen spielende erwachsene ihr erwachsensein verleugnen. sie müssen das wissen um die schrecken des krieges verdrängen! obwohl wir zumindest in der schweiz seit einigen jahrzehnten keinen offenen krieg erleben, hat krieg eine sinnliche erfassbare gegenwart. diese äussert sich im spielzeug, in kriegsfilmen, heften, spielen, informationsmedien, computerspielen, militärwerbung und - abstimmungen bis zum armylook der kleidung. "kriegsspielzeug?
führen wir nicht!" antwortet die verkäuferin in der spielzeugabteilung
mit leichter empörung. und die plastikpistole zu fr. 8.95? "also,
das fällt bei uns unter fasnachtsartikel." weiter hinten sind
die regale vollgepackt mit figuren und fahrzeugen aus sci-fi und fantasy-serien.
ein grosser teil der figuren ist bewaffnet, auch die raumgleiter, raupenfahrzeuge
und die tierähnlichen monster sehen martialisch aus! - kriegsspielzeug
sollte seit wenigen jahren nur noch selten in warenhausregalen anzutreffen
sein. loeb, globus, migros und coop führen kein explizites kriegsspielzeug
(wie ferngesteuerte panzer, realitätsgetreue soldatenfiguren) mehr.
andere hätten auch nur noch käpslipistolen und so. diese abrüstung
im kinderzimmer ist insbesondere dem engagement von ngos in der romandie
zu verdanken. mit gesetzlichen verboten
von gewaltspielzeug ist wenig erreicht, da eine abschliessende einteilung
nahezu unmöglich erscheint und die kampfhandlungen abstrakte,
realitätsferne formen haben. |
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