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schandfleck.ch_archiv/2001/nr.2
daniel costantino
kleine staatskunde für junge bürger  oder: warum nicht jeder zivildienst leisten darf
es gehört zum selbstverständnis einer kommission, einer bundesrätlichen gar wie der zivildienstkommission, anträge und gesuche auch mal abzulehnen, denn sonst wäre man ja nur fürs rumsitzen da und um das sitzungsgeld einzukassieren und steuern zu verschleudern. und es gehört zur aufgabe einer behörde, in unserem falle der "zentralstelle zivildienst", die als unabhängig deklarierte kommission in ihre aufgabe einzweihen, sie zu schulen und einzuüben und ihr den definitiven entscheid über ein gesuch gleich auch noch abzunehmen. irgendwie schafft man es dann selbander, die gewünschten resultate zu erzielen, die erforderlichen quoten und kontingente zu erfüllen. eine hauptaufgabe fällt dabei gewissen beamten und politikern insofern zu, als sie die ganze sache als demokratisch, rechtsstaatlich, frei von willkür und zensur darzustellen haben. so verwahrt man sich etwa gegen das wort quote, vermag sogar den stabilen prozentsatz akzeptierter gesuche (schwankung bloss plusminus zwei drei prozent) zu erklären: erstens sei die welt wie sie sei, da könne auch eine behörde nichts dafür, zweitens teile sich die jugend nun mal in gut und böse auf, das verhältnis sei dank erfolgreicher erziehungsmassnahmen vier zu eins, ergo gebe es 80% hochmoralische junge männer in der schweiz, das habe die letzte volkszählung ergeben, denen 20% schmarotzer, egoisten und staatsfeinde gegenüberstünden, was man allerdings so nicht gesagt haben wolle, und drittens seien die beratungsstellen dran schuld, dass man zivildienstgesuche ablehnen müsse, was man sehr bedaure, weil die armen verweigerer, die von uns nichts gewusst hätten, keine so guten gesuche zu schreiben vermöchten, wie wenn wir sie durch unsre mangel gedreht und völlig indoktriniert und bis zur unkenntlichkeit den wolf in ihnen in ein lamm verwandelt hätten. darum gebe es dann plötzlich im vergleich eben schlechte gesuche, die abzulehnen man nicht umhin könne schon aus gründen der fairness, welche die beratungsstellen mit füssen träten. aus einem der zivildienstkommission zugespielten internen dokument der beratungsstelle bern gehe klar hervor, dass höchst fragwürdige grundsätze zur beeinflussung der verweigerer gälten, deren suggestivkraft das ganze zivildienstgesetz und damit den rechtsstaat unterhöhle; die jungen menschen würden nämlich dazu angehalten, sich zu verstellen und die kommission brandschwarz anzulügen und sich folgende sätze einzutrichtern:

1. merksatz für zivildienstwillige
spiele einen pflichtschuldigen, loyalen staatsbürger, der nichts um seines eigenen vorteils willen tut (gaanz wichtig!!!) und der alles, was er kann, fürs allgemeinwohl unternimmt. weise mindestens eine tägliche gute tat vor, spiele einen pfadfinder, der alten leuten über die strasse hilft, kein auto fährt, damit niemand unter seine räder geraten kann, der dankbar ist, von der polizei geschützt zu werden, die beamten demzufolge freundlich grüsst und sich der teilnahme an politischen demonstrationen enthält (ausnahme höchstens: bewilligter 1. mai-umzug) und der einem vergewaltiger, der etwa deine freundin auf einem waldspaziergang zu missbrauchen trachtet, mit guten worten entgegentritt (nicht davonspringen!), bevor du dich gegebenenfalls mit einem messer oder dergleichen erstechen lässt. übe diese gewaltfreie form des widerstands so lange, bis du selber an sie glaubst, nur dann wirkst du echt.

2. merksatz für zivildienstwillige
weise dich als einen strikten gegner der armee aus und begründe dies damit, dass eine armee, selbst eine demokratische, den grundsätzen der menschenwürde verpflichtete wie die schweizer armee, menschen zu töten manchmal nicht umhin kann, wenn gerade krieg ist, aber erkläre sogleich, ein strikter befürworter von autorität und männlichkeitskult zu sein, wie er daselbst gepflegt wird. laste keinem kommandanten persönliche machtgelüste an, wenn er kraft seiner funktion befehle erteilt, deren erzieherischer sinn du dummer hund nicht begreifst.

dann werde die sache gruppenmässig eingeübt, ja den verweigerern vor der ganzen gruppe eingebläut, so dass sie vor der kommission nicht mehr den mut zur wahrheit fänden. ziel des unternehmens sei es, die revolution anzuzetteln und loszuschlagen, sobald man stark genug dazu sei. denn was ein falscher militärverweigerer sei, der stehe am morgen auf und rüttle als erstes dreimal kräftig am staate, cha-cha-cha!

ein solches opfer unseres vorhandenseins ist jakob, der laut "zentralstelle zivildienst" logischerweise also deshalb abgelehnt wurde, weil er sich nicht von uns hat beraten lassen und nun schlechter war als die andern. der also noch logischerer weise deshalb nicht genommen wurde, weil er zu ehrlich war. er hat den damen und herren der "zentralstelle" das folgende gesuch geschrieben:

meine begründung für ein zivildienstgesuch

mit dem tag der aushebung kam auch für mich die pflicht, militärdienst zu leisten. ich hatte mich damals nie mit einer truppengattung auseinandergesetzt, da mir keine zusagte. infolgedessen wurde ich zu den rettungstruppen nach wangen an der aare eingeteilt. dieser einteilung konnte ich durchaus positive seiten abgewinnen. so war ich nicht in eine kampfführende truppe involviert und würde lebensrettende und nicht lebenszerstörende arbeiten erlernen. mit dieser argumentation war meine einteilung vorerst gerechtfertigt. durch mein verschiebungsgesuch war die rekrutenschule sowieso in weite ferne gerückt.
seit damals, zur zeit meiner aushebung, bis heute, ist in meinem leben sehr viel geschehen. ich bekam viele neue lebensaspekte zu spüren, begegnete sehr interessanten, starken persönlichkeiten und tauchte auch vermehrt in meine welt der musik und malerei ein. dies ist eine öffnung, welche stark mit der derzeitigen schule in verbindung steht. aus den unzähligen erfahrungen und diskussionen entstand der klare entschluss, zivildienst leisten zu wollen. an dieser stelle möchte ich klarstellen, dass ich mich von keiner pflicht und aufgabe entbinden will. ich bin ein bürger dieses landes und fühle mich daher auch schuldig, dieser pflicht nachzukommen. ich will diese pflicht jedoch in form des zivildienstes und nicht in form des militärdienstes leisten.
gegenüber der institution armee habe ich keine total gegnerische, im laufe der jahre jedoch sehr kritische haltung eingenommen. ich vertete die ansicht, dass auf dieser welt noch kein konflikt durch einen militäreinsatz vollumfänglich und ganzheitlich gelöst wurde. ohne vergangene kriege wäre die menschheit wohl nicht dort, wo sie heute steht, dessen bin ich mir bewusst. aus diesen kriegen sollte jedoch die einsicht resultieren, dass heutige konflikte anders zu lösen sind. ich sehe somit keinerlei persönliche vorteile, militärdienst zu leisten und diese institution weiterhin zu unterstützen. für mich bedeutet dies eher einen rückschritt. dies beinhaltet auch eine grosse abneigung gegenüber waffen, kampf und gewalt. ich könnte niemals eine waffe gegen einen menschen oder ein tier richten, auch nicht bei einem schiessbefehl eines vorgesetzten. meine wertvorstellung sagt mir, dass jedes individuum ein anrecht auf leben hat. seit meiner jugendzeit versuche ich konflikte zu verhindern oder zu lösen. gerade in der schulzeit bekam ich dadurch oft gewalt und unrecht am eigenen leib zu spüren und möchte auf keinen fall die gleichen fehler begehen.
während meiner lehrzeit entwickelte ich eine sehr grosse selbständigkeit. ich sehe daher ebenfalls probleme in der befehlsform und dem strikten befolgenmüssen der befehle, die ein vorgesetzter seinem untergebenen stellt. ich bin ein gegener einer typischen hierarchie, wenn man das so sagen kann. jeder mensch muss eine gewisse persönliche freiheit und meinung haben. "ausgeliefert sein" und die "ohnmacht" spüren gegenüber einer chefperson macht mir schnell zu schaffen. so finde ich es auch absurd, mich einer gruppendynamik hinzugeben und z.b. den westschweizern das synonym "russen" anzuhängen, wie ich es vermehrt aus gesprächen mit soldaten herausgenommen habe. meine erziehung und die eigenständige, offene weltanschauung lassen mich von solchen äusserungen klar distanzieren. dies sind genau die kleinen nebensächlichkeiten, die grosszügig geduldet werden und die es für mich unvereinbar machen, militärdienst zu leisten.
während meiner lehrzeit engagierte ich mich stark im sozialen bereich. so liess ich meine beruflichen kenntnisse in den umbau eines jugendtreffs einfliessen, welcher heute rege benutzt wird. auch mit menschen kann ich sehr gut auf einer feinen ebene kommunizieren. dies lässt mich häufig sehr nahe an die personen herankommen, so dass diese sich auch verstanden fühlen.
ich hoffe, dass ich ihnen meine verschiedenen gründe, welche zu der klaren überzeugung geführt haben, zivildienst leisten zu wollen, auf verständliche weise darlegen konnte, und würde es sehr begrüssen, wenn sie auf mein gesuch eingehen würden.

kein gewissenskonflikt nach art. 1 zdg

die "zentralstelle" hat das gesuch mit folgender begründung abgelehnt: (ausrufezeichen in klammern sind entsetzungszeichen des autors, der die zusammenhänge so, wie sie dargestellt werden, weder im gesuch noch in den anhörungsnotizen vorfindet oder aber zeigen will, dass die "zentralstelle" am gesetz vorbeischreibt)
"sehr geehrter herr
die zulassungskommission hat wie folgt zu ihrem gesuch und zur glaubhaftigkeit des durch sie geltend gemachten gewissenskonflikts stellung genommen: im gesuch hätten sie festgehalten, dass jedes individuum das recht auf leben habe und sie daher keine waffe gegen mensch oder tier richten dürften - auch nicht, wenn ihnen dies befohlen werde. an der anhörung sei hervorgegangen, dass jeder mensch ihres erachtens als eigenständiges und ganzheitliches individuum betrachtet werden müsse. in der armee sei das auf sie bezogen nicht der fall; sie könnten sich dort nicht frei verwirklichen. hintergrund ihrer haltung sei eine rentabilitätsrechnung: sie würden alles unter der frage prüfen, was es ihnen bringen könne (!). darum (!) konnten sie keine verbindlichen normen nennen, da die persönliche entwicklung - auf ein nicht näher bestimmtes ziel hin - der massstab sei, nach welchem sich alles richte. ihre lebenshaltung (z.b. der wunsch, liebe geben zu wollen) wirke oberflächlich und teoretisch. im bezug auf gewalt hätten sie gesagt, dass sie ein mittel zur menschlichen evolution sein könne, sie diese jedoch ablehnten. ihren geplanten einsatz für "habitat for humanity" sähen sie lediglich als mittel auf dem weg zur persönlichen entwicklung (!).
aufgrund dieses befundes hat die zulassungskommission einen antrag auf ablehnung des gesuches gestellt. wir schliessen uns der feststellung und würdigung der zulassungskommission an. nachstehend erläutern wir ihnen die gründe im détail:
sie gaben an, keine persönlichen vorteile darin zu sehen, militärdienst zu leisten. es sei viel besser für sie, zivildienst zu erbringen, wo sie gute erfahrungen machen könnten (wie ihr kollege, der bei der basler einwanderungsbehörde seinen zivildienst leistete) und etwas zurückbekämen. sie wollten keine zeit haben, um abzuschalten, sondern um sich entwickeln zu können. mit diesen äusserungen gaben sie an, warum es ihres erachtens für sie besser wäre, zivildienst leisten zu können. nun gibt es jedoch keine wahlfreiheit zwischen militär- und zivildienst. die frage, warum es besser wäre, zivildienst leisten zu können, stellt sich in unserem verfahren nicht, massgebend ist einzig die frage, warum sie den militärdienst nicht mit ihrem gewissen vereinbaren können. so geht es im folgenden nun darum zu prüfen, ob sie moralische normen geltend gemacht haben, auf die sich ein gewissenskonflikt mit einem von ihnen zu leistenden militärdienst stützen kann (! obwohl schon mehrmals von der rekurskommission gerügt, beharrt die "zentralstelle" auf dem wort gewissenskonflikt; gewissensgründe, einfach gewissensgründe, hat der bundesrat gesagt und verlangt das gesetz).
dass sie die konfliktlösung mit gewalt ablehnen, kann als bezugnahme auf eine moralische forderung verstanden werden, mit welcher das leisten des militärdienstes nicht vereinbar ist. es genügt jedoch für die glaubhafte geltendmachung eines gewissenskonfliktes (!) noch nicht, eine moralische forderung zu benennen. weitere voraussetzungen müssen erfüllt sein, denen sie nicht gerecht wurden: sie müssten erklären können, was diese forderung beinhaltet und welche tragweite sie hat. zudem müssten sie aufzeigen können, welche ideale und wertvorstellungen ihr zugrunde liegen. sie haben einerseits zwar gesagt, dass das ziel sei, konflikte ohne waffengewalt zu lösen, andererseits gaben sie aber auch an, dass es dazu gewalt (z.b. worte und präsenz)
brauchen könne. gewalt sei, menschen in situationen zu zwingen, welche sie ablehnten, und sie in ihrem wesen zu beschneiden. es bleibt unklar, welche art von gewalt sie nicht anwenden wollen (!), bzw. falls sie die eine art der gewalt als legitimes mittel sehen, die andere aber nicht, worin sie den unterschied sehen. es habe in der geschichte kriege gegeben, welche notwendig gewesen seien, um eine wende herbeizuführen, und es gebe auch situationen, wo ein wesen gewalt erfahren müsse, um weiterzukommen. sie sähen das ganze als fortschreitende entwicklung und wollten sich auch selber stets weiterentwickeln. mit diesen aussagen messen sie der gewalt einen nutzen bezüglich der entwicklung bzw. des fortschritts zu. dies erscheint widersprüchlich (!) zu ihrer aussage, gewalt abzulehnen. sie wüssten nicht, wohin der fortschritt gehe, seien aber sicher, dass er zu einem besseren zusammenleben führe. ihre überlegungen zum tema gewalt bleiben oberflächlich und verdichten sich nicht zu einer moralischen norm (!), welche ihnen persönlich etwas ver- oder gebietet, das mit einem von ihnen zu leistenden militärdienst unvereinbar wäre.
das "grundding" sei, liebe zu geben, wobei dies ein dürfen sei und es nichts gebe, das sie absolut tun müssten. sie erklären nicht, was es konkret bedeutet, auf einer tieferen ebene liebe zu geben. eine moralische norm verpflichtet den sie geltend machenden bedingungslos und fordert etwas von ihm. wenn sie sagen, sie versuchten jeden menschen gern zu haben, dürften liebe geben, seien aber zu nichts verpflichtet, so erscheint dies beliebig. sie leiten aus dem wunsch, liebe geben zu wollen, keine sie verpflichtende moralische norm ab, welche ihnen das leisten eines militärdienstes verbieten würde.
sind die grundlagen des gewissensentscheides nicht ausreichend erklärt worden, so kommt der praktischen umsetzung der ansatzweise geltend gemachten moralischen forderungen im alltag des gesuchstellers eine umso grössere bedeutung zu. als konkrete tätigkeiten haben sie angegeben, während der lehre beim umbau eines jugendtreffs geholfen zu haben und einen einsatz für "habitat for humanity" zu leisten. diese tätigkeiten bringen aber nicht zwingend einen zusammenhang mit der ablehnung jeder gewalt zum ausdruck. nicht jede positiv bewertete tätigkeit kann automatisch als ausdruck einer für den gewissensentscheid relevanten moralischen forderung gelten, sondern die entsprechende tätigkeit muss einen erkennbaren zusammenhang mit der geltend gemachten moralischen forderung haben. zudem gaben sie an, sich vom einsatz für "habitat for humanity" persönlich viel zu versprechen und ihn als beitrag zur persönlichen entwicklung zu sehen, was den oben erwähnten eindruck bestätigt, dass ihr massstab, etwas zu tun oder zu unterlassen, der persönliche nutzen ist (!). darüberhinaus haben sie kein engagement geltend gemacht, das als umsetzung einer moralischen forderung in ihrem alltag verstanden werden könnte. dass sie ein sozialer beruf allenfalls reizen könnte, ist eine recht vage absicht; zudem steht ein soziales gedankengut alleine einer militärdienstleistung nicht zwingend entgegen.
zusammenfassend halten wir fest, dass sie ansätze geltend gemacht haben, hinter welchen sich eine moralische grundhaltung verbergen oder an welche eine moralische argumentation anknüpfen könnte, die schliesslich die grundlage eines gewissensentscheides gegen den militärdienst zu bilden vermöchten. bei keinem dieser ansätze ist es ihnen jedoch gelungen, einen klaren bezug zu moralischen forderungen herzustellen, womit auch der schluss auf einen gewissenskonflikt im sinn von artikel 1 zdg nicht möglich ist."

soweit die auslassungen der "zentralstelle". was helfen da verfassungsartikel über glaubens- und gewissensfreiheit, wenn die obrigkeit dann gleichwohl das letzte wort darüber hat. jakob bemüht sich nun in seinem rekursschreiben, der "zentralstelle" verfassungsmässig auf die sprünge zu helfen, indem er schreibt, er empfinde es als das wichtigste ziel in seinem leben, einen glauben zu besitzen. für ihn stehe sein glaube aber nicht im zusammenhang mit einer bestimmten religion. er sei in der anhörung missverstanden worden, er habe sehr wohl religiös argumentiert, denn für ihn stehe sein glaube an erster stelle und stütze sich auf eine tief erfahrene liebe und das vertrauen in sich und seine mitmenschen. so sei es möglich, bedingungslos zu helfen und dabei das paradies in sich selbst zu entdecken. nicht nur zu entdecken, sondern es auch zu erweitern und weiterzugeben. wenn er nun für das hilfswerk "habitat for humanity" arbeiten gehe, so mache er dies, um anderen zu helfen und sicher nicht, um sich zu profilieren und einen eigenen nutzen daraus zu ziehen. diese frage stelle sich für ihn gar nicht. der militärdienst sei somit der direkte gegenpol zu seiner ideologie. "wie soll ich diese gewaltbereite institution unterstützen und dabei nicht in einen ausweglosen konflikt geraten. gerade dadurch, dass für mich jeder mensch bedingungslos gleich wie sein mitmensch ist, ist es doch absurd, einander schaden irgendwelcher art zuzuführen. wir alle sind gleich, und doch sind wir zum glück grundverschieden. mein gewissen würde es niemals zulassen, einem anderen menschen zu schaden, sei dies nun mit verbaler, emotionaler oder körperlicher gewalt. gewalt beinhaltet jeden einzelnen dieser aspekte." und weiter: "beim zivildienst geht es mir nicht um einen persönlichen vorteil, sondern es geht mir darum, mit meinem gewissen im reinen zu sein. menschen wirklich zu helfen, wenn sie in not sind oder hilfe brauchen." und überdies: "ich habe nicht nur den wunsch, liebe zu geben, sondern ich versuche dies auch aktiv zu leben. dazu müsste wohl mein ganzes umfeld befragt werden, um zu einem entschluss zu kommen, ob mein gesagtes wirklich teoretisch und oberflächlich sei. dies ist in keiner art und weise eine anschuldigung, doch empfinde ich diese aussage mehr als nicht gerechtfertigt. ich versuche wirklich den menschen so zu begegnen, wie sie es auch verdient haben. denn jeder, der diesen schritt aus dem alleswissenden hinaus in sein erdenleben getan hat, ist zu bewundern und zu achten. dies nur, um sich zu entwickeln, zu lernen, dem lebensplan zu dienen und vielleicht dem paradies etwas näher zu kommen. ich hoffe, dass ich das bild meiner person und meiner ideologie etwas lichten konnte."
was ihm aber nicht gelungen ist: "weder im schriftlichen gesuch noch an der anhörung war je von diesem glauben die rede", weiss die "zentralstelle" in ihrer vernehmlassung zu berichten. (fragezeichen in klammern bedeuten ausrufe des autors). es erstaune nun, dass der beschwerdeführer erst in seinem rekursschreiben angebe, dass genau dieser an oberster stelle für ihn stehe, ohne zu erklären, warum ihm dies zu einem früheren zeitpunkt des verfahrens nicht möglich gewesen sei. überdies sei er in der anhörung gefragt worden, ob auch die arbeit im hilfswerk ein beitrag zur persönlichen entwicklung sei, was er bejaht habe. er habe im folgenden kurz seine zukünftige dortige tätigkeit beschrieben und hernach gemeint, sich viel davon zu versprechen. es erscheine nun widersprüchlich, wenn er im rekursschreiben angebe, dass es sicher nicht darum gehe, einen eigenen nutzen zu erlangen. weder im gesuch noch an der anhörung habe er angaben über die motivation zur - an sich sehr lobenswerten - arbeit für "habitat for humanity" gemacht. zudem zeige er keinen zusammenhang auf zwischen seinem wunsch, den menschen zu helfen und der persönlichen unmöglichkeit, militärdienst zu leisten. "dass es schwierig ist, in einer stunde über innerste vorgänge (des gewissens) auskunft zu geben, ist uns bewusst. nun geht es während der anhörung aber nicht darum, über sämtliche aspekte des lebens zu sprechen, sondern über jene, welche das gewissen in bezug auf den militärdienst betreffen. dabei versucht die zulassungskommission den betreffenden menschen zu verstehen und berücksichtigt dessen nervosität, alter und ausbildungsstand. sowie es für sie ungeklärte fragen gibt, hat sie auch die möglichkeit, die vorgesehene stunde zu überziehen, was im betreffenden fall passierte: die anhörung dauerte 70 minuten. wären noch fragen offen geblieben, so hätte sowohl die zulassungskommission als auch der beschwerdeführer - nachdem ihm das wort zur persönlichen ergänzung erteilt wurde - die gelegenheit gehabt, weitere fragen zu stellen.(?) von beiden parteien wurde diese gelegenheit jedoch nicht benutzt. der beschwerdeführer macht mit diesen pauschalen bemerkungen (?) über sein denken keine neuen sachverhalte geltend (?). er rügt auch nicht konkret, der gewissenskonflikt sei während der anhörung nicht sachgemäss erfragt worden und gibt keine beispiele für missverständnisse (?) oder nicht erwähntes an (??)."
schlussendlich mache der beschwerdeführer geltend, dass es ihm beim zivildienstgesuch nicht um einen persönlichen vorteil gehe, sondern darum, mit seinem gewissen im reinen zu sein und menschen wirklich zu helfen, wenn sie in not seien. diese darlegung erscheine widersprüchlich zu im gesuch und in der anhörung wiederholt gemachten aussagen, welche die vor- und nachteile von zivil-, resp. militärdienst abwögen (?). als beispiele werden genannt, laut der anhörungsnotiz: "ich sehe somit keinerlei persönlichen vorteile, militärdienst zu leisten und diese institution weiterhin zu unterstützen." oder: "ich verspreche mir auch viel vom zivildienst, um zu merken, in welche richtung ich gehen will". und sogar: "...es [der zivildienst eines kollegen auf der einwanderungsbehörde] brachte ihm sehr, sehr viel, und so etwas verspreche ich mir auch". und abscheulicherweise: "es ist für mich viel besser, im zivildienst etwas zu leisten, daraus kann ich etwas nehmen, das kann ich im militärdienst nicht." aufgrund obiger erwägungen gelange man zum schluss, dass die rügen des beschwerdeführers ins leere stiessen. man beantrage abweisung der beschwerde.
jakob unternimmt noch einen letzten anlauf, indem er auf die vernehmlassung eine "ausstandsbegehren" genannte replik verfasst, in der er unter anderem schreibt, es falle ihm äusserst schwer, seinen glauben in worte zu fassen, daher sei er zurückhaltend gewesen. das gespräch mit der kommission sei ganz und gar nicht nach seiner vorstellung eines offenen konstruktiven austausches gelaufen. er sei völlig verwirrt gewesen, habe auch kurz vor der berufsmatur gestanden. und er stellt noch einmal klar, wenn es dieser klärung bei wohlwollender interpretation noch bedurft hätte, dass er gewalt nie angebracht finde. es lasse sich nicht zwischen den verschiedenen arten der gewalt differenzieren.

beschwerde unbegründet
die rekurskommission des evd, die sich von berufs wegen sonst eher mit milchschwemmen, butterbergen und wahnsinnigen rindern befasst, hat für jakob auch kein musikgehör. nach seitenlangen erwägungen über das gewissen in bezug auf den militärdienst, über die interpretation ihrer eigenen aufgabe als aufsichtsinstanz der "zentralstelle", nach mühseliger rekapitulation der tatbestände und quintessenzen kommt sie zum schluss: "der beschwerdeführer scheint auch mit vorliebe abgehobene, in ihrer bedeutung völlig absolute ausdrücke zu verwenden, wie beispielsweise ‚bedingungslose liebe', ‚totales vertrauen in seine mitmenschen', ‚einem menschen zu helfen, ist doch das schönste auf der welt', ‚ich habe niemals schaden angerichtet und will dieses handwerk auch nicht erlernen'". sowohl anhand der anhörungsnotiz wie seiner schriftlichen eingaben falle auf, dass er sich immer wieder durch seine eigenen wohlklingenden formulierungen "vom tema ab und mit seiner argumentationslinie in eine völlig andere richtung verlocken liess (? vom tema abverlocken?). dies bestätigt den von der zulassungskommission geäusserten eindruck von oberflächlichkeit". es könne der zulassungskommission nicht vorgeworfen werden, sie habe den sachverhalt unrichtig festgestellt, den ihr zustehenden beurteilungsspielraum überschritten oder sich von nicht sachgerechten überlegungen leiten lassen. es sei daher nicht zu beanstanden, dass die "zentralstelle" auf den befund der kommission abgestellt und das gesuch abgewiesen habe. die beschwerde sei deswegen als unbegründet abgewiesen.

scheinheilige behörden
was soll man zu solch empörenden unterstellungen sagen? sie haben eine jahrzehntelange tradition bei der behandlung von militärverweigerern. wenn uns nun die "zentralstelle" oder auch einzelne kommissionsmitglieder, wie schon mehrfach mündlich und schriftlich geschehen, unlauteren wettbewerb vorwirft und polemisiert, wir hielten die ratsuchenden nicht dazu an, die ungeschminkte wahrheit zu sagen, sondern trainierten sie zu schauspielerischen leistungen, so möchte man darüber am liebsten nur lachen. nach lektüre solch obrigkeitsstaatlichen quatschs ist diese gewaltfreie, aber aktive form des widerstands auch dringend zu empfehlen.

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