schandfleck.ch_archiv/2000/nr.3 |
marco
wölfli
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weshalb ich ein gegner der armee bin |
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ich
bin 23 jahre alt.
ich habe die rekrutenschule und den ersten wk absolviert. nun ist schluss.
ich bin nicht weiter bereit, meine wehrpflicht in der schweizer armee zu
leisten. ich betrachte die schweizer armee in ihrer heutigen form als nicht mehr zeitgerecht. man bekämpft imaginäre feinde, die meistens aus osten oder norden kommen. man ist verpflichtet, auf diese feinde zu schiessen, ansonsten schiessen sie auf einen selbst. es bleibt einem der tod oder die unterdrückung. jedenfalls wird versucht, einem dies glaubhaft zu machen. die schweizer armee ist ein spielzeug in ihrer denkweise zurückgeblieber pseudopatrioten. einziger profiteur in diesem verleumdungsspiel ist die zulieferindustrie, die alles daran setzt, ihre geldquelle nicht zu verlieren. der schweizer stimmbürger und steuerzahler betrügt sich selbst, indem er die armee befürwortet. schweizer armee - verschwendung von arbeits- und wissenspotential vor ein paar jahren
habe ich die rekrutenschule absolviert und erst vor kurzem meinen ersten
wk. dabei ist mir bewusst geworden, welche verschwendung an potential
die schweizer armee betreibt. 300 männer. vom elektriker über
den buchhalter bis zum universitätsabgänger waren alle berufsgattungen
vertreten. ich hatte während dieser drei wochen beim kriegsspiel
im wald genügend zeit, darüber nachzudenken, was diese 300 männer
in dieser zeit alles zu leisten vermocht hätten. man hätte bei
effizienter nutzung die möglichkeit, ganze konzepte oder projekte
zu erstellen oder zu realisieren. projekte, die der allgemeinheit, den
arbeitslosen, den behinderten oder sozialbenachteiligten zugute kommen
würden. man könnte arbeit erledigen, für die der bund im
moment offiziell kein geld oder keine mittel zur verfügung hat. aber
für drei wochen kriegsspiel hat er das geld. welche schande. als
bedenklich betrachte ich auch die tatsache, dass die schweizer wirtschaft,
und somit der konsument, neben dem steuerzahler sehr stark belastet wird.
für drei wochen kriegsspiel. warum ich nicht mehr militärdienst leisten kann und will: ennio flaiano, er
musste als unterleutnant am italienischen äthiopien-feldzug teilnehmen.
er schrieb später in seinem roman "alles hat seine zeit"
eines der schönsten und traurigsten bücher überhaupt: bin ich wirklich bereit, mein land mit waffengewalt zu verteidigen? diese frage habe ich mir schon oft gestellt. die antwort lautet ganz klar nein. ich bin nicht bereit, mit der waffe in der hand auf angreifer zu warten und auf sie zu schiessen. das müsste ich auch gar nicht. vielmehr müsste ich als artilleriefunker die zielkoordinaten übermitteln, damit man feindliche truppen mit stahlgranaten zerschlagen kann. eine granate wiegt ungefähr 50 kilogramm. zu diesem tema mussten wir in der rs einen netten film sehen. "die verschieden artilleriegranaten und ihre wirkung". man schoss auf menschenpuppen, bäume, gräben, bunker, fahrzeuge und gepanzerte gegenstände. danach wurden die wunden und schäden analysiert. bei diesem film stellte ich fest, dass der mensch wohl die niederträchtigste lebensform auf der erde darstellt. ich mache bei diesem spiel nicht mehr mit. ich bin unter keinen umständen bereit, meine aufgabe in einem sogenannten ernstfall zu erfüllen. ich frage mich, wie das überhaupt jemand kann. und vor allem die offiziere. wie kann man einen angriffs- oder schiessbefehl verantworten. man weiss in dieser situation genau, dass hunderte, tausende sinnlos geopfert werden. meine gegner - meine freunde ich fühle nicht
als schweizer, sondern als bewohner dieser erde. ich liebe reisen in fremde
länder. ich liebe es, mit anderen menschen und kulturen zu kommuniziern.
ich liebe es, mich fremd zu fühlen. auf die hilfe von fremden menschen
angewiesen zu sein. und ich wurde bis jetzt in jedem land als gast sehr
zuvorkommend empfangen. ich habe viele freunde im ausland und kenne sehr
viele leute, die gleich denken wie ich. ich mag auch fremde leute in meinem
land. sie bereichern uns. sie haben aus meiner sicht genau soviel recht,
hier zu leben, wie ich. was zwischen mir und diesen leuten steht, sind
landesgrenzen und andere politiker, andere verwaltungen und andere armeen.
sonst gibt es keine primären unterschiede. ich erschiesse oder töte niemanden auf befehl - der nicht einmal gerichtfertigt werden muss das dienstreglement
der schweizer armee verpflichtet den angehörigen der armee zu meine politischen rechte als schweizer staatsbürger in der armee ich bin ein individuum
des schweizer souveräns. somit habe ich rechte. ich bin wohl zurecht
stolz auf meine politischen rechte. jeder schweizer bürger ist stolz
auf seine politischen rechte. wir schreien das auch stolz in die ganze
welt, dass wir eine der besten und ältesten demokratien der welt
haben in der schweiz. der freie schweizer bürger hat sogar das recht,
einen hut nicht grüssen zu müssen. worauf man wohl stolz sein
kann. ich sterbe nicht für die politik viele soldaten, verteilt
über die ganze erde, sind bereit, für ihr vaterland zu sterben.
es sind stolze soldaten. das ganze dorf oder das ganze quartier ist stolz
auf diese soldaten. er ist im kampf gestorben. ganz nebenbei hat er noch
drei bis vier gegnerische soldaten massakriert, bevor er endlich den heiligen
heldentod gestorben ist. vielleicht, wenn er glück hatte oder offizier
war, widmet man ihm eine gartenbank oder eine strasse mit einem namensschild.
vielleicht pisst mal ein hund daran, den man vor der unterdrückung
der fremden bewahrt hat. welche genugtuung. krieg als wirtschaftliche und politische waffe wenn man die kriege
und bewaffneten konflikte der letzten 50 jahre genauer betrachtet, haben
sie immer politische und vor allem wirtschaftliche hintergründe.
mit ausnahme der glaubenskriege, die als solche inszeniert werden, aber
genau den selben hintergrund haben wie alle anderen kriege. die grosse
masse der menschheit lässt sich von der politik und der wirtschaft
an der nase herumführen und finanziert das ganze auch noch. hat krieg jemals etwas gebracht als macht und wohlstand für bestimmte kreise ? es gibt leute, die
behaupten, ohne armee und krieg gäbe es heute keine flugzeuge, keine
computer, keine satellitentechnik und so weiter. mir ist klar, dass ein
krieg die wirtschaftliche entwicklung eines staates ankurbelt. kurzfristig
jedenfalls. der gewinnerstaat hat den ganzen ruhm und die wirtschaftliche
macht. meistens werden wissenschaftler und know-how mit dem rest der beute
deportiert. töten ist eine sache. der mensch tötet bereits seit seiner existenz. tiere töten, naturvölker töten. die mehrheit der menschen hat sich entschlossen, zivilisiert zu leben. seit diesem moment macht töten in der zivilisierten welt absolut keinen sinn mehr. über das töten von tieren zu nahrungszwecken kann man sich streiten. aber das töten von menschen kann nicht mehr gerechtfertigt werden. die schweizer armee vermittelt das wissen, menschen zu töten. ein schweizer mann wird gezwungen, dieses handwerk zu erlernen. man lernt unter anderem das handwerk von heckenschützen. heckenschützen sind trainiert, leute nicht direkt zu töten, sondern nur anzuschiessen. damit sie langsam verbluten und ihre kameraden um hilfe rufen. wenn sie ihnen helfen wollen, wird der nächste angeschossen. damit auch dieser langsam verblutet. und so weiter und so fort. man lernt auch das aufstellen von richtladungen. richtladungen sind quaderförmige sprengladungen. bei der detonation werden einige hundert metallkugeln freigesetzt, welche alles zerfetzen, was sich ihnen nähert. diese richtladungen werden in der militärsprache liebenswürdigerweise "jugofernseher" genannt. ich bin überzeugt, nach dem gewaltsamen töten eines menschen die kontrolle über mich völlig zu verlieren. denn beim töten überschreitet man sämtliche moralischen grenzen. wenn ich diese grenzen überschreiten müsste, gäbe es auch sonst keine grenzen mehr für mich. es wäre plötzlich alles egal. ich würde durchdrehen. und was in diesem moment passieren würde, wage ich nicht einmal zu denken. ich könnte mich nicht mehr im spiegel betrachten. ich würde selbst nicht mehr leben wollen. wie könnte ich nach solchen erlebnissen und taten noch ins angesicht meiner angehörigen treten! wie soll ich neben meiner freundin oder frau ruhig schlafen können! wie soll ich noch liebe machen können mit ihr. wie soll ich meinen kindern liebe vermitteln. wie soll ich ihnen nächstenliebe, mitmenschlichkeit und toleranz vermitteln. wie soll ich fähig sein, ein kind liebevoll zu erziehen, wenn ich menschen abgeschlachtet habe zuvor? wie soll ich meine kinder noch betrachten können, wenn ich weiss, dass ich andern kindern den vater zerstümmelt habe? dürfen mörder überhaupt kinder erziehen? entweder man befürwortet die armee oder ist dagegen. ich bin dagegen und keinen tag länger bereit, meine militärpflicht zu erfüllen. |
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