news ¦ archiv ¦ forum ¦ kontakt ¦ literatur ¦ shop ¦ links
schandfleck.ch_archiv/1999/nr.1
daniel costantino
 
kommentar zum manifest


die autoren des vorliegenden manifests scheinen sich mit der allgemeinen wehrpflicht für schweizer männer abgefunden zu haben, obwohl sie sich sonderbarerweise kriegsdienstverweigerer nennen. sie greifen sie mit keinem wort an, mahnen bloss, über eine reduktion der mittel für die schweizer armee nachzudenken. sie bestreiten in keiner weise die berechtigung eines auf dieser verpflichtung beruhenden zivildienstes, der ein erzwungener dienst ist, nörgeln zwar ein bisschen herum, wollen ihn auf weitere personen ausdehnen, für die er freiwillig wäre, verkennen aber, dass es längst gute organisationen gibt, bei denen freiwillig zivildienst geleistet werden kann, ohne den ballast eines teuren verwaltungs- und beamtenapparates.
mal abgesehen davon, dass das ding in der verfassung ziviler ersatzdienst heisst (ersatz nämlich für die wehrpflicht) und dass nicht von einem rechtsanspruch, ihn zu leisten, die rede sein kann, sondern vom etwas kleinlicheren recht, ein gesuch stellen zu dürfen, wenn man mann ist und wehrdiensttauglich - ich halte es für inakzeptabel, angesichts der weltweit verheerenden folgen militärischen denkens und handelns nicht die logische, ja zwingende forderung nach der abschaffung des militärs (und damit der wehrpflicht) zu stellen. es ist doch mit ein paar kosmetischen korrekturen nicht getan, es geht doch nicht an, einfach davon zu palavern, die "volksarmee", wie wir sie gekannt hätten (welch eine ausdrucksweise!), sei quasi nicht mehr zeitgemäss und habe keine militärische berechtigung mehr (ist das alles?), weil andere staaten die rekrutierung verschöben oder abschafften. welche staaten? wo in aller welt verschwinden nächstens armeen? es verschwinden keine armeen, und nirgendwo ist der militarismus im abnehmen begriffen, und gerade dies wäre doch festzustellen, anzuprangern, blosszustellen! es wäre doch deutlich zu sagen, dass es armeen und die bereitschaft, in irgendeinem von regierungen befohlenen notfall zur waffe zu greifen, in zivilisierten staaten gar nicht geben dürfte!
nachdenklich stimmt mich das wort kriegsdienstverweigerer, das, hierzulande fast ohne tradition und definition, wie ein knochen ohne fleisch dem grösstenteils bodenständigen parlament vor die füsse geworfen wird. warum plötzlich nicht mehr militärverweigerer? ein ausgezeichneter begriff, der zeigt, dass das militär, insbesondere auch in der schweiz, ein repressions- und machtapparat ist, der auf sehr viele zivile bereiche einfluss nimmt, eine innenpolitik des law and order fördert, der verflochten ist mit der wirtschaft, mit der ausländerpolitik, der die pfoten auf die erziehung und die ausübung bürgerlicher rechte legt, siehe die einsätze, die diese armee bisher geleistet hat. es braucht gar keinen krieg, den es in der schweiz ja schon lange nicht mehr gab, um die schädlichkeit des militärs und des militarismus aufzuzeigen. oder wäre der begriff kriegsdienst in solche genannten zusammenhänge zu bringen? wohlan! warum steht nichts davon im manifest? warum eine solch schwammige handhabung problematischer begriffe? stossend ist auch, dass das "recht auf kriegsdienstverweigerung" (das eben in tat und wahrheit gar nicht existiert) auf gewissensgründe beschränkt sein soll. kein wort über andere gründe! kein wort davon, dass staat und kirche definieren, was ihnen als gewissen in den kram passt, welche andern überzeugungen sie dagegen immer noch ächten, kriminalisieren! und wären es schlechte gründe, was soll ich sagen, faulheit, ein starkes gefühl von widerwillen, vaterlandslose gesinnung, wären es solche oder andere irgend denkbare gründe, die einen mann veranlassen, militärdienst zu verweigern - er tut damit etwas schlechtes, unsoziales, barbarisches eben gerade nicht! es wären noch weitere punkte aufzulisten, die doch sehr verwirren und die frage aufkommen lassen, wes geistes kind dies manifest ingesamt ist. etwa, wenn von unseren vorfahren erzählt wird, die des glaubens an die überlegenheit des weissen mannes gewesen seien. ich glaube, dieser glaube rechtfertigt nicht nur, sondern ist an sich schon rassismus, und so, wie das manifest zu formulieren beliebt, wären damit kolonisation, sklaverei, unterdrückung der frauen und der rassismus selbst nachträglich schöngeredet. ich glaube überdies, es handelt sich dabei nicht um irgendwelchen glauben "unserer vorfahren" (à propos: alte kulturen wussten längst, dass die erde nicht im zentrum der welt steht und dass sie sich um die sonne dreht), sondern um die jahrtausendalte lüge, einschüchterung und ausrede christlicher fürsten, und christlich nannten sich schlichtweg alle in jenen jahrhunderten, von denen in etwa die rede sein dürfte, das recht des stärkeren gegenüber dem schwächeren durchzusetzen, ausbeutung zu betreiben, raub, mord und die abschlachtung ganzer völker und kulturen, nicht nur heidnischer übrigens. unsere vorfahren! unsere? schliesslich wäre die einsicht, krieg sei keine "natürliche schicksalshaftigkeit" wohl doch nicht in den "kopernikanischen wenden" zu suchen und nicht in wissenschaftlichen ergebnissen, sondern in einer uralten, leider sehr unterdrückten tradition der menschlichkeit, die weiser ist und gütiger als alle von den mächtigen gnädigst gebilligte und nach möglichkeit für ihre interessen missbrauchte wissenschaft und aller von oben herab verordneter und erpresster "glaube unserer vorfahren", und beide hoffentlich überlebt.

ich schlage ein anderes manifest vor. erster und einziger punkt, den man durchaus auch ohne die kommission brunner und die solidaritätsstiftung begründen könnte:

- abschaffung der armee und der wehrpflicht und verbot aller andern denkbaren zwangsdienste.

weshalb fordert ihr nicht dies?

news ¦ archiv ¦ forum ¦ kontakt ¦ literatur ¦ shop ¦ links
nach oben >>>