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schandfleck.ch_archiv/1998/nr.1

daniel costantino
 
liebe leserin, lieber leser

es gibt zuviele missstände in der militärverweigererfrage, mit denen wir uns auf der beratungsstelle jahrein, jahraus konfrontiert sehen, zuviele ungerechtigkeiten, die willkürlich den oder jenen treffen, der gerade das pech hat, im falschen moment das richtige oder im richtigen das falsche zu tun, zuviele dinge, die aus politischem kalkül unter dem deckel gehalten werden, als dass wir noch länger schweigen wollen. da die linken organisationen und exponenten sich in der auseinandersetzung um den zivildienst erlaubt haben zu schweigen, wo sie nicht hurra geschrien, möchten wir mit dieser zeitung, die viermal jährlich erscheinen soll, einen beitrag zur grundsätzlichen diskussion leisten: darf die schweiz die "allgemeine wehrpflicht" verordnen und ihre bürger verpflichten, notfalls mit ihrem leben für sie einzustehen, hat sie sich die moralische autorität dazu erworben, gewissen zu prüfen und höchste anforderungen an jene zu stellen, die nicht bedenkenlos einen beitrag zur weltweiten bedrohungslage, zum waffengeschäft, zur finanzverschleuderung auf kosten bedürftiger, zur umweltverschandelung, zur aufhebung aller demokratischen, zivilisierten und menschlichen regeln leisten, darf dieser schnüffelstaat, der die mittellosesten schikaniert und kriminalisiert, die obdachlosen, die drogenopfer, die arbeitslosen, und sich selber nicht um etische, nicht um humane, nicht um moralische grundsätze schert, sondern ohne rücksicht auf verluste nach wirtschaftlicher prosperität seiner grosskapitalisten, nach wachstum und globalisierung seiner märkte, nach absoluter unterwerfung seiner arbeitnehmerschaft unter die fuchtel des kapitals und der rentabilität trachtet, darf dieser staat, ja, darf überhaupt ein staat im ausgehenden 20. jahrhundert bereit sein, konflikte mit gewalt, mittels einer hochorganisierten und -strukturierten, jederzeit paraten und hightech-gerüsteten armee zu lösen, sei es gegen aussen oder gegen innen, und zulassen und nichts oder wenig dagegen unternehmen, dass die rüstungsspirale sich weiter und weiter dreht, dass die kluft zwischen erster und dritter welt immer grösser wird und erst recht als vorwand für die armeen dient, dass die kultivierte und aufgeschlossene auseinandersetzung erpresserischen manövern banalen witschaftsstrebens, ränkeschmiedereien der generalitäten, der rücksichtslosen durchsetzung des rechts des stärkeren weichen muss, heutzutage, wo naturkatastrofen gewaltigen ausmasses, knappheit der ressourcen, armut und elend riesiger bevölkerungsschichten drohen oder schon ausgebrochen sind, wo staaten in bankrott geraten, wo jederzeit damit gerechnet werden muss, dass gleich alles in die luft fliegt?
wir sehen die kleine schweiz durchaus im soge dieser vorgänge. wir sehen, wie dem volk sand in die augen geträufelt wird, wir fragen uns, weshalb nörglerische gewissensprüfer bestellt werden, um aufgeweckten und hoffnungsvollen jungen männern zu verbieten, sinnvolle arbeit im öffentlichen interesse zu leisten, wir klagen den missbrauch eines ganzen medizinischen standes, der psychiatrie an, die jährlich über 10`000 männern bescheinigt, sie seien geistig minderbemittelt, unzurechnungsfähig, verhaltensgestört, wenn sie sich weigern, den inszenierten männlichen hierarchie- und gehorsamskult mitzumachen, der unabdingbare voraussetzung jeder armee ist, ein spott aller freiheitsrechte, ein hohn jeder demokratischen schönwetterverfassung, die negation selbständigen denkens. die armee, keine armee, kann zur echten lösung irgendeines problems beitragen, sie ist selbst das grösste. wir sagen: weg damit, weg mit dieser obrigkeitsgläubigkeit, weg mit dieser barbarei! die zukunft der völkerverständigung, der menschlichkeit und mündigen, engagierten und lebensbejahenden bürgerinnen und bürgern!

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