schandfleck.ch_archiv/1999/nr.2 |
ralf
winkler (bericht: daniel costantino)
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motion vollmer | |||
- rehabilitation von ehemaligen dienstverweigerern am 30. november letzten jahres reichten nationalrat vollmer und einige mitunterzeichnende eine motion beim bundesrat ein, in der folgendes stand: der bundesrat wird aufgefordert, den eidgenössischen räten einen bundesbeschluss zu unterbreiten, damit die vor der verfassungsänderung von 1992, resp. dem inkrafttreten des zivildienstgesetzes (1996) verurteilten dienstverweigerer, welche nach dem neuen recht einen zivildienst hätten leisten können, rehabilitiert werden. dabei ist überdies in erwägung zu ziehen, mit welchen massnahmen eine wiedergutmachung für schwerwiegende nachteile, die diesen personen aus ihrem gewissensentscheid erwuchsen, ermöglicht wird. begründung: allein in den letzten zehn jahren vor der verfassungsänderung 1992, resp. dem inkrafttreten des zivildienstgesetzes (1996) sind über 5000 junge menschen strafrechtlich verfolgt und zu beträchtlichen freiheitsstrafen verurteilt worden. bei einem grossen teil davon wurde von den militärgerichten sogar die unvereinbarkeit mit dem gewissen wegen etischer grundwerte anerkannt. neben der verbüssung der freiheitsstrafe und dem eintrag in das zentralstrafregister erwuchsen vielen dieser menschen weitere schwerwiegende wirtschaftliche, finanzielle, soziale und persönliche nachteile. eine rechtliche rehabilitation wie auch eine wiedergutmachung erlittener schwerwiegender gesellschaftlicher und persönlicher nachteile ist längst fällig. der bundesrat hat am 24.februar 99 stellung bezogen und unter anderem die motion mit folgender argumentation zur ablehnung empfohlen: im hinblick auf das heute geltende recht zum schluss zu kommen, dass die rechtmässigkeit der früher gefällten urteile problematisch sei, hält der bundesrat für verfehlt. das strafrecht orientiert sich an gesellschaftlichen verhältnissen. diese sind einem ständigen wandel unterworfen. der gesetzgebungsprozess nimmt diese veränderungen wahr und trägt ihnen - mit einer gewissen zeitlichen verzögerung - rechnung. grundlegend falsch erscheint es dem bundesrat, heute herrschende gesellschaftliche massstäbe und wertvorstellungen auf in der vergangenheit liegende sachverhalte anwenden zu wollen. vielmehr ist es so, dass in einem demokratischen staat zu jeder zeit das recht gilt, das die umstände in der gesellschaft widerspiegelt. die heutigen verhältnisse können nicht als die einzig richtigen oder besseren betrachtet werden. entspricht die gesetzgebung der im zeitpunkt des urteils im volk vorherrschenden wertvorstellung, ist das urteil nicht nur juristisch, sondern auch demokratisch und gesellschaftlich abgestützt. die beurteilung von dienstverweigerern war immer demokratisch abgestützt. dies ergibt sich auch ohne weiteres aus den resultaten der volksabstimmungen von 1977 und 1984. das volk hatte damals gelegenheit, zur einführung des zivildienstes stellung zu nehmen. beide volksinitiativen wurden deutlich mit über 60 prozent nein-stimmen verworfen. in dieser zeit war es also ein klarer wille des volkes, dass dienstverweigerer bestraft werden. ein solcher wille besteht heute unbestrittenermassen nicht mehr (wenn einer keinen zivieldienst leisten will oder darf, wird er für militärverweigerung sehr wohl noch bestraft! -anm.d.red.) dieser umstand vermag aber das verhalten der damaligen dienstverweigerer nicht zu rechtfertigen. vergleichbare gesellschaftliche entwicklungen sind z.b. im bereich des sexualstrafrechts - ein rechtsgebiet, das auch von moralvorstellungen und etik geprägt ist - feststellbar. auch dort wurde das gesetz den gesellschaftlichen verhältnissen angepasst, zuletzt 1994. ein für ein heute nicht mehr strafbares verhalten nach altem sexualstrafrecht verurteilter könnte somit mit der gleichen argumentation des motionärs ebenfalls rehabilitation verlangen. konsequenterweise müssten bei jeder grösseren revision des strafrechts jene personen oder personengruppen rehabilitiert werden, welche nach dem älteren, strengeren recht rechtskräftig verurteilt worden sind und nach dem neuen recht freigesprochen werden müssten. eine solche rehabilitationspraxis wäre wohl kaum angängig. zudem würde sie mit hoher wahrscheinlichkeit zahlreiche entschädigungsforderungen der rehabilitierten nach sich ziehen. diesen selbstgerechten ausführungen hält ein senior unter den militärverweigerern, ralf winkler aus lindau, folgendes entgegen, das wir auszugsweise wiedergeben (siehe auch "schandleck" nr. 2/98, interview mit ralf winkler): 24. märz l999 sehr - was die menschlichkeit anbelangt - merkwürdige bundesräte (und die eine, an der stellungnahme mitbeteiligte bundesrätin) grüezi mitenand als ehemaliges opfer
des sogenannt freiheitlich-demokratischen, angeblich der humanität
verpflichteten und mit grosser bevölkerungsmehrheit zum christlichen
glauben sich bekennenden fragwürdigen rechtsstaat schweiz kann ich
diese ihre ablehnung nicht unwidersprochen hinnehmen. zwar hat es vermutlich
keinen sinn, nun aufzuzählen, was mir dieser nicht sehr mustergültige
"rechts-" und zu erheblichen teilen unrechtsstaat schweiz schon
alles zuleide getan hat in missachtung seiner eigenen bundesverfassungsbestimmungen,
gültiger menschenrechte und etischer prinzipien. es ist eine ganze
menge. und es wird wohl einmal mehr vergebliche mühe sein, wenn ich
mich über meine menschenunwürdige behandlung durch diesen staat
beklage und nach wie vor rehabilitation einfordere, wenn die landesregierung
- jetzige wie frühere - der eidgenossenschaft anscheinend leider
nicht die ausreichenden fähigkeiten wie willen zu strikter respektierung
der menschenwürde, zur einhaltung der eigenen bundesverfassung, zur
durchsetzung von gerechtigkeit usw. besitzt, um sich eines etisch korrekten
verhaltens zu befleissigen. wozu es natürlich auch eines gespürs
und wissens bedürfte, was überhaupt recht und unrecht, etisch
geboten und moralisch verwerflich ist. was ist schon von einem bundesrat
zu erwarten, der frischfröhlich durch die ganze begründung hindurch
von "dienstverweigerern" spricht bzw. schreibt und anscheinend
nicht begreift, dass erhebliche unterschiede bestehen zwischen dienst
und fehldienst, und dass es menschen gibt, welche unmoralische , etisch
verwerfliche fehldienste zu recht verweigern ( recht in übereinstimmung
mit etischen, religiösen, "göttlichen" geboten), aber
dafür sich bemühen, dienstleistende für einen echten frieden,
für eine moralisch weniger verluderte gesellschaft zu sein? die landesregierung hat einen amtseid abgelegt, die bundesverfassung zu respektieren und die rechte seiner bürger zu schützen. wo war da, bezüglich meiner glaubens- und gewissensfreiheit, der schutz? artikel 49 der schweizerischen bundesverfassung erklärt die für das menschsein wesentliche glaubens- und gewissensfreiheit als "unverletzlich" und hält fest, es dürfe "niemand wegen glaubensansichten mit strafen irgendwelcher art belegt werden". wer militaristische aberglaubensansichten hat, bei dem klappt's mit der nichtbestrafung. wer hingegen pazifistische glaubensansichten besitzt und zu ihnen steht, der ist offensichtlich dieser niemand, der mit strafen irgendwelcher art belegt werden darf. die jetzt noch gültige bundesverfassung enthält einen artikel 4, der besagt, es seien alle schweizer vor dem gesetze gleich, mann und frau gleichberechtigt, und es gebe keine vorrechte der geburt oder von personen. gleichwohl besitzen aber die ch-frauen das gute, mit etischen prinzipien durchaus zu vereinbarende recht oder vorrecht, von einer "wehrpflicht" fragwürdigen bis offensichtlich kriminellen charakters befreit zu sein. ch-männer, in klarer verletzung des artikels 4 bv, sind dieser schändlichen und höchst menschenunwürdigen "wehrpflicht" unterstellt und haben - anders als frauen - strafen in kauf zu nehmen, wenn sie diesbezüglich von der angeblich unverletzlichen glaubens- und gewissensfreiheit gebrauch machen wollen. wer diese tatsachen zur kenntnis nimmt, unter umständen sogar die ehrlichkeit aufbringt, sie anzuerkennen, sich aber von seinem bisherigen fehlverhalten doch nicht zu trennen vermag und sich scheut, die gebotenen konsequenzen zu ziehen, der muss meines erachtens an erheblichen charakterdefekten leiden. auch wenn ich weiss, dass es staaten gibt, die es mit der missachtung von menschenrechten, dem umgang mit anständigen menschen noch übler treiben, so ist das für mich kein grund, mit der gegenwärtigen eidgenossenschaft und der haltung von "denen da oben in bern" zufrieden zu sein. muss es denn so sein, dass politiker über kein schamgefühl, keinen besserungswillen verfügen? der waadtländische freikirchengründer alexandre vinet sagte einmal, der staat, das sei "der mensch ohne sein gewissen". wie mir scheint, und wie mir dies die so viel von sich haltende schweiz vordemonstriert, hatte er damit weitgehend recht. ist es für einen heutigen bundesrat vertretbar, sich weiterhin um die rehabilitation von zu unrecht bestraften gewissenstätern, von sich nicht in eine mordmaschinerie einspannen lassenden menschen zu drücken? schliesslich wäre es auch für einen ch-bundesrat höchste zeit zu erkennen, dass unheilsarmeen (die helvetische mitinbegriffen) kaum anderes als legalisierte kriminalität betreibende organisationen sind, von denen man sich, als anständiger mensch, zu distanzieren hat. und das geschwind. es grüsst der von der schweiz zu unrecht geplagte, bisher um die rehabilitation geprellte erdenbürger > ralf winkler |
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