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schandfleck.ch_archiv/1999/nr.2/leserbrief
reto gasser
was will die nato wirklich?


seit mehr als einem monat dauern die bombardierungen auf serbien an. bewirkt haben sie, dass die ethischen säuberungen im kosovo schneller durchgeführt werden, dass es mehr massaker und leid in kürzerer zeit gibt; der druck der nato-bombardements hat damit die gewalt gegen die kosovo-albaner indirekt verschärft. im gegensatz zur situation vor zwei jahren, als gegen milosevic demonstriert wurde und er fast die wahlen verlor, steht heute der grösste teil der bevölkerung wieder hinter ihm. schliesslich können durch den kriegszustand kritische, unabhängige medien mundtot gemacht werden, ohne dass dies umständlich zu begründen wäre. so heftet man sich in belgrad zielscheiben auf die brust, feiert rockkonzerte und demonstriert einigkeit gegenüber dem gemeinsamen feinbild nato. wie hätte man milosevic also ein grösseres geschenk machen können, als ihm den widerstand in der bevölkerung indirekt wegzubomben bzw. auf einen äusseren feind zu richten? schliesslich kann er - wie saddam hussein - in einem geeigneten bunker jedes bombardement aussitzen.

wie soll die regierung milosevic durch einen luftkrieg, der letztendlich ihren machtansprüchen dient, dazu gezwungen werden, ihre - wahrscheinlich schwer kontrollierbaren - sonderpolizisten zurückpfeifen? und von kampfverbänden, die vorgehen wie todesschwadronen, kann man kaum selbständige verhaltensänderungen oder einsichten durch bomben auf ihre landsleute erwarten. die hiessigen massenmedien sind zwar kritisch gegenüber der nato-aktion, doch die edlen ziele des angriffs werden als grundgegebenheit nie hinterfragt.

die strategen im pentagon, welche die ziele auswählten, können mit ihrem hintergrundwissen wohl kaum so naiv gewesen sein anzunehmen, dass die etnischen säuberungen mit solchen bombardements wirklich verhindert werden. so räumt nato-oberbefehlshaber wesley clark unfreiwillig ein; man habe durchaus vorausgesehen, dass der serbische terror unter den bombardements zunehmen werde. da hinter der nato-strategie hauptsächlich us-militärs stehen, muss das vorgehen mit zielen der usa verglichen werden. die ziele der us-politik bestehen wiederum hauptsächlich in der machterhaltung und -ausweitung von us-grossfirmen und investoren. wer daran zweifelt, soll sich mal überlegen, wer wohl die meisten wahlkampf- und parteispenden liefert. schon im 2. golfkrieg (kuwait) ging es ja eigentlich um die kontrolle der ölquellen im nahen osten und die disziplinierung eines in ungnade gefallenen diktators, nachdem dieser lange zeit ein amerikanischer verbündeter gewesen war. wie immer wird washingtons moral selektiv angewendet: in kolumbien werden durch paramilitärische einheiten derzeit massaker in kosovo-ausmassen an der zivilbevölkerung verübt... und die usa liefern dazu die waffen! über die wirklichen ziele der usa kann man nur spekulieren. die vormachtstellung auf dem balkan könnte ein militärstrategisches ziel sein, um auf einen politischen wechsel in moskau vorbereitet zu sein. der kosovo-konflikt bietet auch eine gute gelegenheit, die nato als interventionsapparat für den frieden zu etablieren. damit können die interessen der usa in zukunft ohne völkerrechtliche schranken durchgesetzt werden. vorausgesetzt, man findet einen passenden moralischen deckmantel. ausserdem kann durch die neuen nato-aufgaben auch weiterhin tausendmal mehr geld in die rüstungsindustrie fliessen als in friedens- und konfliktforschung. und die waffenindustrie kann dann durch lieferungen in konfliktregionen wie kolumbien wieder zeigen, dass frieden und abrüstung eine utopie ist. die treffer auf industrieanlagen und brücken werden auch eine marode serbische wirtschaft hinterlassen. auch das könnte anderen als offiziell verkündeten zwecken (nachschub unterbrechen) dienen. uneigennützig bieten die usa und ihr ideologischer zögling europa dann wohl eine art marshallplan zum wiederaufbau an. so könnten grossfirmen und investoren verstärkt auf dem balkan fuss fassen. und der wirtschaftsimperialismus der usa - von dem europa seit 1945 ein teil geworden ist - könnte in richtung osteuropa neue märkte oder zumindest billigte arbeitskräfte und rohstoffe finden; wie das u.a. in mittel- und südamerika schon geschehen ist.

bleibt die frage, was man sonst hätte tun sollen. auch ich sehe ein, dass reine verhandlungen mit einem perfiden serbischen regime nicht fruchtbar gewesen wären. eine möglichkeit bestünde darin, milosevic den rückhalt in der bevölkerung zu entziehen. zum beispiel, indem man die bevölkerung aus einer möglichst unabhängigen quelle (z.b. ngos) über vertreibungen und massaker an wehrlose familien informiert, die in ihrem dasein ähnlich wie serbische menschen sind. wenn überhaupt, könnte sich milosevic nur noch mit massivster gewalt an der macht halten. und die gefahr eines machtverlustes würde ihn wirklich empfindlich treffen. natürlich hätte man auch früher reagieren können, als es noch mehr möglichkeiten gab, doch dann liesse sich der beweis nicht erbringen, dass es militärapparate wie die nato noch braucht. solange die öffentlichkeit den moralischen deckmantel und die rolle der massenmedien nicht hinterfragt, subventioniert die usa ihre eigene waffenindustrie. oder wieso wehrte sich clinton in ottawa gegen ein generelles minenverbot? demonstrationen gegen die verdeckte us-machtpolitik und für eine friedliche alternative im kosovo sind dringend nötig... auch in der schweiz selbst wenn es naiv scheint... besser als resignation ist es allemal!

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